Die Französische Revolution bedrohte die Existenz des Adels

Als im Jahr 1789 das Ancien Régime zusammenbrach, gab es in Frankreich durchaus einige Adlige, die versuchten sich an die Spitze der revolutionären Bewegung zu stellen. Dazu zählten beispielsweise der liberale Monarchist Marquis de Lafayette, Graf Mirabeau und der Herzog von Orleans. Auch der englische Politiker Charles James Fox besaß trotz seiner Verwurzelung in der englischen Oberschicht gewisse Sympathien für die Französische Revolution. Offen unterstützten die Revolution außerhalb Frankreichs nur relativ wenig Adlige, die auch eher Außenseiter blieben, wie der deutsche Freiherr von Knigge. Insgesamt wurde vor allem in Frankreich schnell deutlich, dass die Revolution nicht nur die Privilegien des Adels bedrohte, sondern seine gesamte Existenz. Die Gegnerschaft zur Revolution schuf eine neue Solidarität unter Adelsgruppierungen, die sich vorher eher distanziert gegenübergestanden hatten.

In Frankreich entsteht eine neue Elite

Nach der Machtergreifung Napoleons begannen viele französische Adlige, sich mit den neuen Verhältnissen zu arrangieren. In den folgenden Jahren entstand in Frankreich eine neue Elite: nobilitierte Offiziere und Beamte, bürgerliche Grundbesitzer, die sich teilweise selbst einen Adelstitel zugelegt hatten sowie der alte Adel. Die alten Geschlechter mochten in vielen Provinzen weiterhin ihre eigene, auf Tradition beruhende Identität pflegen, aber Macht und Einfluss mussten sie jetzt mit neuen emporgekommenen Familien teilen.

In Deutschland dagegen setzten weite Teile des Adels solchen Entwicklungen das Konzept eines exklusiven „Uradels“ entgegen, der freilich in Wirklichkeit nach ganz anderen Prinzipien definiert war als denen der traditionellen ständischen Gesellschaft. Der Adel mochte hier seinem eigenen Selbstverständnis nach Erinnerungsgemeinschaft bleiben, aber sie gründete nun auf ganz neuen Fundamenten. Auch wenn die Revolution Monarchie und Adel gleichermaßen bedrohte, kam es nach 1789 keineswegs überall zu einem neuen Bündnis zwischen Aristokratie und Krone.

Der Liberalismus fand auch im Adel seine Anhänger

An manchen Orten suchte der Adel durch eine Wiederbelebung ständischer Institutionen – unter Umständen in modernisierter Form – und lokaler Selbstverwaltungsrechte ein Bollwerk gegen die Revolution, aber auch gegen einen übermächtigen bürokratischen Staat zu schaffen. In Deutschland ist der Freiherr von Stein ein Beispiel für solche Reformbestrebungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Der entstehende Liberalismus fand auch in der Provinz wie Ostpreußen zur selben Zeit im Adel zahlreiche Anhänger.

Auf dem Kontinent wandte sich der Adel nach der Französischen Revolution und nach dem teilweisen Verlust von Privilegien wie angesichts der gefährlichen sozialen Folgen der Säkularisierung oft stärker einer traditionellen und zugleich persönlich verinnerlichten Religiosität zu, die sich in Teilen mit einem romantisierenden Bild des Mittelalters verband. Das galt etwa für katholische Adelskreise in Mitteleuropa und Frankreich, während protestantische Adlige zum Teil im Pietismus Zuflucht suchten. Diese religiösen Bewegungen setzten sich bewusst auch eine moralische Erneuerung der Eliten zum Ziel. Quelle: Handbuch Europäische Aufklärung von Heinz Thoma (Hrsg.)

Von Hans Klumbies