Das Philosophicum Lech ist extrem erfolgreich

Für Ludwig Muxel, dem Obmann des Vereins Philosophicum Lech, gehören das Philosophicum und Lech am Arlberg untrennbar zusammen. Maßgeblich für die nachhaltig erfolgreiche Entwicklung ist der wissenschaftliche Leiter Konrad Paul Liessmann. Das Konzept, das der österreichische Philosoph entwickelte, war einfach und klar; jedes Jahr ein Thema, und das wird in verschiedenen Vorträgen von Philosophen und anderen Geisteswissenschaftlern ausgeleuchtet. Das Philosophicum Lech zählt heute zu den erfolgreichsten geisteswissenschaftlichen Tagungen im deutschsprachigen Raum. Das Buch „Der Geist im Gebirge“ enthält Beiträge von Jan Assmann, Barbara Bleisch, Heinz Bude, Karin Harrasser, Lisa Herzog, Herfried Münkler, Robert Pfaller, Richard David Precht, Rüdiger Safranski, Franz Schuh, Martin Seel, Peter Sloterdijk, Cora Stepan, Wolfgang Ulrich, Lambert Wiesing u.a. Die Beiträge geben Einblick in die Geschichte einer Veranstaltungsreihe, in der sich die Konturen der vergangenen 25 Jahre spiegeln.

Das Böse gehört zum Drama der Freiheit

Der erste Beitrag stammt vom Bestsellerautor Rüdiger Safranski und trägt den Titel „Das Böse oder Das Drama der Freiheit“. Das „Böse“ hat seiner Meinung nach aufgehört, lediglich ein Name zu sein für das im engeren Sinn Moralische. Das Drama der Freiheit bedeutet für Rüdiger Safranski, dass der Mensch weder in der Natur aufgeht noch nicht einmal in sich selbst. Er ist ein Wesen, das „nein“ sagen kann und die Erfahrung des Nichts kennt. Deshalb kann der Mensch auch die Vernichtung wählen. Rüdiger Safranski fasst zusammen: „Das Böse gehört zum Drama der Freiheit. Es ist der Preis der Freiheit.“

Robert Pfaller hat seinen philosophischen Gedanken den Titel „Das Unglaubliche. Über Illusion, Lust und Kultur“ gegeben. Für den Autor ist ein das Verdienst der psychoanalytischen Theorie von Octave Mannoni, den entscheidenden Hinweis für eine Wertschätzung des Unglaublichen geliefert zu haben. Robert Pfaller erklärt: „Das zärtliche Festhalten an den durchschauten Illusionen, wird es uns ermöglichen, geselliger, politisch handlungsfähiger und – da das Unglaubliche das Lustprinzip in der Kultur darstellt – auch glücklicher zu werden.“

Sinn ist wichtiger als Glück

Wilhelm Schmid hat seinen Beitrag „Glück ist wichtig, aber nicht das Wichtigste im Leben“ genannt. Viele Menschen glauben heutzutage, ohne Glück nicht mehr leben zu können. Es ist eine regelrechte Glückshysterie entstanden, mit der viele sich womöglich noch unglücklicher machen. Zur Fülle des Glücklichseins gehört nicht nur das Glücksgefühl des Wohlfühlens, sondern auch das Unglücklichsein. Wilhelm Schmid weiß: „Glück ist wichtig, aber wichtiger ist Sinn. Im Sinn können Menschen auch dann leben, wenn sie gar nicht glücklich sind.“

Konrad Paul Liessmann kommt die Ehre zu, das letzte Wort im Buch „Der Geist im Gebirge“ zu haben. „Das Böse, die Hölle, der Hass“, so lautet die Überschrift seines Beitrags. Natürlich war in diesem Vierteljahrhundert in Lech am Arlberg auch von vielem anderen die Rede: von der Kunst und dem Schönen, vom Eros und der Freiheit, von Glück und von besseren Menschen. Dennoch war das Philosophicum Lech nie eine Wohlfühlveranstaltung, in der Tugenden wie Toleranz oder Diversität gepredigt wurden. Konrad Paul Liessmanns ernüchterndes Fazit lautet: „Wir werden mit dem Bösen und dem Hass leben müssen. Und wir können uns schon glücklich schätzen, wenn wir und dabei nicht gleich die Hölle auf Erden bereiten.“

Der Geist im Gebirge
25 Jahre Philosophicum Lech
Konrad Paul Liessmann (Hrsg.)
Verlag: Zsolnay
Gebundene Ausgabe: 313 Seiten, Auflage: 2022
ISBN: 978-3-552-07310-4, 28,00 Euro

Von Hans Klumbies