Bertrand Russell philosophiert über die Materie

Bertrand Russell hält es für vernünftig, auch ohne schlüssigen Beweis zu glauben, dass die Sinnesdaten des Menschen wirklich Zeichen für die Existenz von Dingen sind, die von seinen Wahrnehmungen unabhängig sind. Die Physik hat seiner Meinung nach mehr oder weniger unbewusst zu der Ansicht geführt, dass alle Naturphänomene auf Bewegungen zurückgeführt werden müssen. Schall, Wärme und Licht werden danach durch Schwingungen verursacht, die sich von einem Körper ausbreiten, bis sie auf eine Person treffen, die den Schall hört, die Wärme fühlt und das Licht sieht. Bertrand Russell erklärt die Sichtweise der Philosophen: „Was schwingt, ist entweder der Äther oder grobe Materie, auf alle Fälle etwas, was die Philosophen Materie zu nennen pflegen.“

Die Eigenschaften der Materie in der Wissenschaft

Laut Bertrand Russell schreibt die Wissenschaft der Materie nur zwei Eigenschaften zu: Räumlichkeit, das heißt die Fähigkeit, Orte im Raum einzunehmen, und die Fähigkeit, sich entsprechend den Gesetzen der Dynamik zu bewegen. Bertrand Russell schreibt: „Es ist wesentlich für die Wissenschaft, dass die von ihr angenommene Materie sich in einem Raum befindet; aber dieser Raum kann nicht derselbe sein, den wir sehen oder fühlen. Schon der Raum, den wir sehen, ist nicht derselbe wie der, der uns durch den Tastsinn zugänglich ist.“

Der wirkliche Raum ist für Bertrand Russell allgemein zugänglich, der erscheinende Raum ist gleichsam im Privatbesitz des Wahrnehmenden. Für ihn ist es wichtig zu bemerken, dass, wenn die Empfindungen der Menschen durch physikalische Gegenstände verursacht sein sollten, es einen physikalischen Raum geben muss, der außer diesen Gegenständen auch die menschlichen Sinnesorgane, die Nerven und das Gehirn enthält. Bertrand Russell schreibt: „Denn es sind in der Hauptsache die räumlichen Beziehungen zwischen dem Gegenstand und unserem Körper, die bestimmen, welche Empfindungen der Gegenstand bei uns auslöst.“

Der Mensch weiß nichts über den physikalischen Raum

Für Bertrand Russell steht außer Frage, dass die Menschen auf keine Weise wissen können, wie der physikalische Raum an sich beschaffen ist. Aber die Menschen können erkennen, welche Anordnungen von Gegenständen sich aus den wechselseitigen räumlichen Beziehungen ergeben. Bertrand Russell erläutert: „Wir können die Eigenschaften der Beziehungen erkennen, die notwenig sind, um die Korrespondenz mit unseren Sinnesdaten aufrechtzuhalten; aber wir können das Wesen der Dinge, zwischen denen diese Beziehungen bestehen, nicht erkennen.“

Kurzbiographie: Bertrand Russell

Bertrand Russell wurde am 18. März 1872 in Trelleck geboren. Er studierte am Trinity College Mathematik und Sozialwissenschaften. Während des Ersten Weltkriegs kam er wegen der Aufforderung zur Verweigerung des Kriegsdiensts ins Gefängnis. Bertrand Russell lehrte an den Universitäten Harvard, Oxford, London, Peking, Chicago und Los Angeles. 1950 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.

Der große Denker beschäftigte sich unter anderem mit der Möglichkeit des Philosophierens in einem Zeitalter, das die Metaphysik verabschiedet hat und dessen Wissensstand entscheidend von der Naturforschung geprägt ist. Zu seinen wichtigsten Werken zählen: „The Principles of Mathematics“, (1903), „The Problems of Philosophy“, (1912), „Mysticism and Logic“, (1917), „An Outline of Philosophy” (1927) und „An Inquiry into Meaning and Truth“, (1940). Bertrand Russell starb am 2. Februar 1970 in Wales.

Von Hans Klumbies