Die schönen Künste haben sich im 18. Jahrhundert entwickelt

Kunst und Wissenschaft haben zumindest eines gemeinsam: Sie werden gerne in einem Atemzug genannt. Seit wann und warum treten Wissenschaften und Künste gemeinsam auf? Man könnte die Geschichte der Künste und Wissenschaften seit dem Mittelalter auch mit folgenden Paradoxien beschreiben: Als die Wissenschaften noch Künste waren, gab es keine Kunst. Als die Künste entstanden, waren sie Wissenschaften. Konrad Paul Liessmann ergänzt: „Und als sich endlich die Wissenschaften als Wissenschaften und die Künste als Künste begriffen, nährte dies nur den Verdacht oder auch den Wunsch, dass die Wissenschaften eigentlich Künste und de Künste letztlich doch Wissenschaften seien.“ Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

Die sieben freien Künste wurden einst an der Artistenfakultät gelehrt

Zur Erinnerung: Die modernen Wissenschaften waren aus der mittelalterlichen „Artistenfakultät“ hervorgegangen, an denen die seit der Spätantike praktizierten „septem artes liberales“, die sieben freien Künste gelehrt worden waren: Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie. Frei waren diese Künste im Gegensatz zu den an anderen Orten geübten „artes mechanicae“ oder „artes vulgares“, den praktischen Künsten, gewesen, ebenfalls sieben an der Zahl: Webekunst, Waffenschmiedekunst, Bauhandwerk, Schifffahrt, Jagd, Heilkunst und Schauspielkunst.

Konrad Paul Liessmann erläutert: „Diese Künste galten aus zwei Gründen als unfrei: einmal, weil derjenige, der sie ausübte, bestimmten Notwendigkeiten unterlag, er musste Rücksicht nehmen auf Materialbeschaffenheit und Naturgegebenheiten, zum anderen aber, weil im Gegensatz zu den freien Künsten auch sozial Unfreie diese praktischen Tätigkeiten durchführen konnten.“ Die „schönen Künste“ allerdings, also das, was man heute unter Kunst im Sinne einer ästhetisch-kulturellen Praxis verstehen, haben sich überhaupt erst im 18. Jahrhundert aus den „artes mechanicae“ entwickelt und von diesen emanzipiert.

Kunst und Wissenschaft vereinen sich im Renaissancekünstler

Zu den schönen Künsten zählen die Malkunst, die Bildhauerei, die Tanzkunst, die Musik, die Poesie, die Architektur und die Rhetorik. Als der französische Ästhetiker Charles Batteux um 1750 diese Einteilung der schönen Künste vornahm, nannte er seine theoretisch-reflexive Beschäftigung mit der Kunst eine „schöne Wissenschaft“. Freie Künste, mechanische Künste, schöne Künste. Ursprünglich war alles Kunst, und noch das lateinische „ars“ bündelte in sich mehrere Bedeutungen: das Wissen und die Technik, die Fertigkeit und das Schöne, die Kunst und die Wissenschaft.

Einen letzten Höhepunkt erlebte die Einheit von Kunst und Wissenschaft im Typus des Renaissancekünstlers, der – wie Leonardo da Vinci oder Michelangelo – sich selbst als ein gottgleiches hervorbringendes, schaffendes Wesen sah, für das Wissen und Kreativität, Phantasie und Technik, Theorie und Praxis tatsächlich noch eine Einheit bilden konnten. Spätestens seit dem 17. Jahrhundert findet aber ein Differenzierungsprozess statt, der die Wissenschaften auf Wahrheit, die Künste aber auf Schönheit verpflichtete. Quelle: „Bildung als Provokation“ von Konrad Paul Liessmann

Von Hans Klumbies