Sex ist gefährlich und mit Schmerz verbunden

Sex kann einzigartige Empfindungen der Lust erzeugen, aus Fremden Liebende werden lassen und einer Zweierbeziehung Dauer und Leidenschaft verleihen. In den Medien wird er oft als harmloses Vergnügen präsentiert, das für Fitness, Gesundheit und Wellness sorgt. Ihn darf nichts stören, weder Eifersucht noch Liebeskummer, noch Scham, noch die Angst vor dem Versagen. Thomas Junker fügt hinzu: „Für die negativen Seiten hat man oft die traditionelle, vor allem die religiöse Sexualmoral verantwortlich gemacht und sich von einer liberaleren Gesellschaft eine bessere, angst- und stressfreiere Sexualität erhofft.“ Ganz falsch ist das sicher nicht. Aber es ist für Thomas Junker auch nicht die ganze Wahrheit. Denn die Tatsache, dass Sex gefährlich, anstrengend und mit Schmerz verbunden ist, liegt in seiner biologischen Natur.“ Thomas Junker ist Professor für Biologiegeschichte an der Universität Tübingen.

Cybersex befreit den Menschen vom eigenen Körper

Sex kostet Zeit, in der man arbeiten oder ausruhen, lesen oder spazieren gehen könnte. In früheren Zeiten war man den Gefahren der Umwelt ausgeliefert, und noch heute gibt es Risiken – unerwünschte Schwangerschaft, Ansteckung, seelische Verletzung. Und nicht zuletzt kostet Sex Kraft. Der eine oder andere wird sich darüber freuen, wenn auf so angenehme Weise ein paar Kalorien verbrannt werden. Wer aber nach einem anstrengenden Tag im Büro nach Hause kommt, für den kann das schon zu viel Mühe sein.

Eine weitgehende Befreiung vom eigenen Körper und aus den Begrenztheiten des realen Lebens verspricht der Cybersex. Thomas Junker erläutert: „Dabei wird der unmittelbare körperliche Kontakt durch virtuelle Interaktionen ersetzt.“ In den einfachen Formen beschränkt man sich darauf, über das Internet Filme und Bilder zu betrachten oder sich in Chats und Foren auszutauschen. Das war aber nur der Anfang. In Online-Rollenspielen können die Nutzer sexuellen Fantasien von künstlichen Personen, sogenannten Avataren, virtuell ausleben lassen.

Virtueller Sex ist ständig verfügbar

Eine völlig neue Qualität entsteht, wenn das sexuelle Erleben durch Datenhelme und -handschuhe, Vibratoren und Ganzkörperanzüge wirklichkeitsnah simuliert wird. Diese technischen Entwicklungen stehen laut Thomas Junker allerdings noch in den Anfängen. Virtueller Sex ist die einmalige Chance, Sex mit Personen zu haben, die in der Realität unerreichbar sind, weil sie zeitlich, räumlich, sozial oder auf der Skala der Attraktivität zu weit entfernt sind. Man muss nicht mühsam nach einem begehrenswerten Partner oder einer Partnerin suchen.

Thomas Junker erläutert: „Die eigene Person kann unendlich viele Gestalten annehmen: Alter, Geschlecht, Aussehen und viele Eigenschaften mehr lassen sich ja nach Geschmack und Laune variieren.“ Verglichen mit realem Sex ist der virtuelle Sex billiger, sicherer und ständig verfügbar. Die scheinbare Anonymität lässt Scham, Unsicherheiten, Ängste und Komplikationen in den Hintergrund treten oder gleich ganz verschwinden. Dadurch können außergewöhnliche und ansonsten unterdrückte Wünsche bewusst werden und zur Sprache kommen. Quelle: „Die verborgene Natur der Liebe“ von Thomas Junker

Von Hans Klumbies