Die Bändigung des Feuers war ein Riesenerfolg für die Menscheit

Ein wichtiger Schritt an die Spitze der Nahrungskette war für die frühen Menschen die Bändigung des Feuers. Vor rund 300.000 Jahren scheint das Feuer für viele schon zum Alltag gehört zu haben. Yuval Noah Harari erläutert: „Damit hatten sie eine verlässliche Licht- und Wärmequelle und eine wirkungsvolle Waffe gegen die lauernden Löwen.“ Damals starteten die Menschen zudem ihre ersten groß angelegten Unternehmungen: nämlich die gezielte Brandrodung von Wäldern. Nachdem die Feuer ausgegangen waren, wanderten die Unternehmer der Steinzeit durch die Aschereste und sammelten geröstete Tiere, Nüsse und Wurzeln ein. Mit einem sorgfältig geplanten Buschfeuer verwandelten sie undurchdringliches Dickicht in eine Steppe, auf der große Herden von Beutetieren lebten. Yuval Noah Harari ist Professor für Geschichte an der Hebrew University of Jerusalem.

Dank des Feuers konnten die Menschen vielfältigere Nahrungsmittel konsumieren

Aber das Beste war für die frühen Menschen, dass sie damit kochen konnten. Die Kochkunst erschloss ihnen neue Dimensionen im Supermarkt der Natur. Yuval Noah Harari erklärt: „Pflanzen, die der menschliche Magen in roher Form nicht verwerten konnte – zum Beispiel Weizen, Reis oder Kartoffeln –, wanderten plötzlich auf die Liste der Grundnahrungsmittel.“ Das Feuer veränderte jedoch nicht nur die chemische Zusammensetzung der Nahrungsmittel, sondern auch ihre Biologie, denn die Hitze tötete auch Bakterien und Parasiten ab.

Wurden Früchte, Nüsse, Insekten und Aas über dem Feuer gegart, waren sie jetzt leichter kau- und verdaubar. Dank des Feuers konnten die frühen Menschen eine größere Bandbreite von Nahrungsmitteln zu sich nehmen, sie sparten Zeit beim Essen und kamen jetzt mit kleineren Zähnen und kürzeren Därmen aus. Yuval Noah Harari betont: „Einige Wissenschaftler sehen einen direkten Zusammenhang zwischen der Entdeckung des Kochens, der Verkürzung des Darms und dem Wachstum des Gehirns.“

Die Macht des Feuers war nicht mehr vom menschlichen Körperbau abhängig

Das Feuer riss laut Yuval Noah Harari außerdem einen ersten Graben zwischen den Menschen und dem Rest der Tierwelt auf. Als die Menschen das Feuer bändigten, erlangte sie die Kontrolle über eine willige und potentiell grenzenlose Kraft. Sie konnten frei entscheiden, wann und wo sie ein Feuer entzündeten, und sie konnten dieses neue Werkzeug für eine ganz Reihe von Tätigkeiten einsetzen. Vor allem aber war die Macht des Feuers nicht mehr vom menschlichen Körperbau abhängig.

Mit einem Feuerstein oder Reibholz bewaffnet, konnte zum Beispiel eine einzelne zierliche Frau einen ganzen Wald niederbrennen. Die Bändigung des Feuers war für Yuval Noah Harari ein erster Hinweis auf das, was sich im Verlauf der Menschheitsgeschichte noch alles ereignen sollte. In gewisser Weise war es seiner Meinung nach der erste Schritt auf dem Weg zur Atombombe, die einst alles Leben auf der Welt auslöschen und somit auch den Untergang des Homo sapiens besiegeln könnte.

Von Hans Klumbies