Tomáš Sedláček erzählt die Geschichte der Ökonomie

In seinem Buch „Die Ökonomie von Gut und Böse“ begibt sich der Wirtschaftswissenschaftler Tomáš Sedláček auf eine Expedition über die Grenzen der Ökonomie hinaus und erforscht die Verbindung der Wirtschaft zur Geschichte, zur Psychologie und zu den alten Mythen. Er unterstreicht damit, wie tief die Ökonomie in der Kultur der Menschheit verwurzelt ist. Sie reicht weit in die Geschichte zurück. Schon etwa 400 vor Christus sagte Xenophon, dass es etwas wie eine Wissenschaft der Ökonomie gibt, selbst wenn jemand über keinen Reichtum verfügt. Tomáš Sedláček lehrt an der Prager Karls-Universität, ist Chefökonom der größten tschechischen Bank und Mitglied des Nationalen Wirtschaftsrats in Prag.

Die Suche nach der Verschränkung von Mythos und Ökonomie

Tomáš Sedláček hat das Buch „Die Ökonomie von Gut und Böse“ auch deshalb geschrieben, weil er in alten Mythen nach ökonomischen Gedanken und umgekehrt in der heutigen Ökonomie nach Mythen suchen wollte. Als Geburtstunde der modernen Ökonomie bezeichnet er die Veröffentlichung von Adam Smiths „Wohlstand der Nationen“ im Jahre 1776. Letztlich geht es laut Tomáš Sedláček bei der gesamten Ökonomie um das Gute und das Böse, wobei Menschen anderen Menschen Geschichten über Menschen erzählen.

Selbst die ausgefeiltesten mathematischen Modelle der Ökonomie sind für Tomáš Sedláček in Wirklichkeit Geschichten und Gleichnisse sowie ein Bemühen, die Welt um uns herum rational zu begreifen. Tomáš Sedláček geht in seinem Buch unter anderem den Fragen nach, ob es eine Ökonomie von Gut und Böse gibt, ob das Gute außerhalb jedes ökonomischen Kalküls liegt und ob die Selbstsucht den Menschen angeboren ist. Tomáš Sedláček begründet seine Fragestellungen wie folgt: „Wenn die Ökonomie mehr als ein mechanisch-allokatives, ökonometrisches Modell ohne tiefere Bedeutung (oder Anwendung) sein soll, muss sie sich solchen Fragen stellen.“

Die Ökonomen des Mainstream sind vom Homo oeconomicus besessen

Tomáš Sedláček erzählt in seinem Buch „Die Ökonomie von Gut und Böse“ die Geschichte der Ökonomie oder anders ausgedrückt: Die Entwicklung des ökonomischen Ethos. Der Autor will gleichzeitig zeigen, wie sich die Wahrnehmung der ökonomischen Dimension des Menschen entwickelt hat. Tomáš Sedláček schreibt: „Die Schlüsselkonzepte, mit denen die Ökonomie bewusst und unbewusst operiert, haben fast alle eine lange Geschichte; ihre Wurzeln erstrecken sich überwiegend über den Bereich der Ökonomie und oft sogar ganz über den der Wissenschaft hinaus.“

Tomáš Sedláček kritisiert die Ökonomen des Mainstream, die sich von der Buntheit der Ökonomie gelöst haben und nur noch vom Schwarz-Weiß-Denken des Homo oeconomicus besessen sind, der sich nicht um die Fragen von Gut und Böse kümmert. Tomáš Sedláček erklärt: „Wir haben uns selbst blind gemacht, blind für die wichtigsten Triebkräfte der menschlichen Handlungen.“ Er ist fest davon überzeugt, dass die Ökonomen aus den Mythen und Religionen, von den Philosophen und Dichtern ebensoviel Weisheit lernen können wie aus exakten, strikten mathematischen Modellen für das ökonomische Verhalten.

Die Ökonomie von Gut und Böse

Tomáš Sedláček

Verlag: Hanser

Gebundene Ausgabe: 447 Seiten, Auflage: 2012

ISBN: 978-3-446-42823-2, 24,90 Euro

Von Hans Klumbies