Die Jazzmusik neu erfunden hat Till Brönner nicht, aber Musikalben unter anderem für Hildegard Knef, Manfred Krug und die No Angels produziert, mit Dave Brubeck, Chaka Khan und Natalie Cole gespielt und mit Carla Bruni, Sérgio Mendes und Annie Lennox zusammengearbeitet. Wohltemperiert und glasklar lässt Till Brönner seine entspannten Versionen der Klassiker aus dem Great American Songbook auf seiner neuen CD „The Good Life“ klingen. Wobei es im Text des instrumental gespielten Titeltracks nicht um die Annehmlichkeiten des Lebens geht, sondern um die Frage: Was ist man bereit, davon zu opfern für die wahre Liebe? Um am Ende etwas Echtes, etwas Bleibendes erhalten. Die meiste Zeit im Jahr lebt Till Brönner mittlerweile in Los Angeles.
Die Reduktion auf das absolut Notwendige hat für Till Brönner an Attraktivität gewonnen
Im April dieses Jahres hat er beim „International Jazz Day“ als einziger deutscher Musiker auf Einladung von Barack Obama neben Aretha Franklin, Herbie Hancock und Diana Krall im Weißen Haus gespielt. Der Ausnahmetrompeter erklärt: „In Los Angeles sind wir mit den besten Songs, die wir kennen, und den besten Musikern, die wir kennen, ins Studio gegangen und haben Westcoast Jazz im klassischen Stil aufgenommen. Ich wollte die Standards in ihrer Klarheit erhalten. Die Arrangements auf seinem mittlerweile 18. Album „The Good Life“ sind denn auch absolut ballaststofffrei.
Für Till Brönner ist neuerdings weniger mehr. Die Konzentration auf das Wesentliche, die Reduktion auf das absolut Notwendige hat für ihn zuletzt an Attraktivität gewonnen. Till Brönner erinnert sich: „Meine allererste Platte habe ich 1994 rausgebracht. Und „Generations of Jazz“ mit Jeff Hamilton am Schlagzeug und Ray Brown am Bass klang damals sehr ähnlich wie jetzt das neue Album in der Tradition des kalifornischen Cool Jazz mit Jeff Hamilton und Bassist John Clayton.“ Wobei Pianist Larry Goldings dezent die Akzente beim leichten, unbeschwerten Groove zum kalifornischen „Easy Going“ setzt.
Musik kann jedem Menschen in der Krise Trost spenden
Till Brönner stellt fest: „Mit diesen großartigen Musikern kann man gar nicht anders, als sich fallen zu lassen. In dem Moment wird das Spielen von weniger als mehr Tönen auch möglich, weil man merkt, dass die Pausen mindestens so wichtig sind wie das, was man tut.“ Wobei der Virtuose an Trompete und Flügelhorn nicht nur bläst, sondern bei acht der 13 Stücke im Schmuse-Tempo auch singt, unter anderem beim selbst geschriebenen Bossa „Her Smile“. Und dabei klingt wie ein harmloser Chet Baker. Das Singen – für ihn eher ein Kontrastprogramm zum Trompetenspiel – falle ihm nicht leicht.
Till Brönner erläutert: „Ich bin kein geborener Sänger, das hört man auch. Aber die menschliche Stimme – wahrscheinlich das perfekteste Instrument überhaupt – ist für mich faszinierend.“ Musik kann jedem Menschen in der Krise Trost spenden. „Auch mich hat Musik noch nie enttäuscht“, sagt Till Brönner. Wenn ihm jemand nachsagt, er spiele den schönsten Barjazz zwischen Scheibbs und Nebraska, dann nimmt er es als Kompliment. Till Brönner erklärt: „Ob ich traurige Momente hatte oder zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt war, am Ende kam immer Erleichterung über die Musik. Wenn nicht sogar Hoffnung und Wohlbefinden.“ Quelle: Kurier
Von Hans Klumbies