Das Dritte Reich war eine Gewaltherrschaft ohne Beispiel

Der neue Band „Das Dritte Reich“ von Ulrich Herbert, das in der Reihe „Wissen“ des C. H. Beck Verlag erschienen ist, bietet eine knappe Gesamtdarstellung des Dritten Reiches auf dem neuesten Forschungsstand. Nach einer Analyse der Faktoren, die den Aufstieg des Nationalismus und die Etablierung der Diktatur ermöglicht haben, ist der größere Teil des Buches den Jahren von 1939 bis 1945 gewidmet, in denen sich die deutsche Geschichte in eine europäische und welthistorische ausweitet. Der Band informiert über den Krieg Adolf Hitlers in der Sowjetunion, die deutsche Besatzungsherrschaft in Europa und die Ermordung der europäischen Juden. Am 30. Januar 1933 wird in Deutschland Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt. Ulrich Herbert ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg im Breisgau und einer der bekanntesten deutschen Zeithistoriker.

Adolf Hitler war die skrupelloseste Figur der Rechten der Nachkriegsjahre

Nach innen ging es dem neuen nationalsozialistischen Regime um die Errichtung einer rassisch definierten „Volksgemeinschaft“, nach außen um die Wiederherstellung nationaler Größe durch einen Revanchekrieg. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs steigerte sich die Herrschaft des Dritten Reiches zu einer Gewaltherrschaft ohne Beispiel, die den staatlich in Gang gesetzten Massenmord an den Juden ebenso einschloss wie eine kolonialistische Besatzungspolitik in Polen und den Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion.

Im ersten Teil seines Bandes zeigt Ulrich Herbert, welche längerfristigen, aus dem späten 19. Jahrhundert herüberreichenden Entwicklungen hier wirkmächtig wurden und wie sie sich mit den katastrophalen Erfahrungen des Ersten Weltkriegs und der Weltwirtschaftskrise verbanden. Politisch-organisatorisch wurde das „nationale Lager“ bis 1930 durch drei Richtungen vertreten: durch die Deutschnationale Volkspartei, die nationalistischen Verbände und die völkisch-radikalen Kleinparteien. Aber ohne Zweifel war Adolf Hitler die politisch, organisatorisch und rhetorisch begabteste und zugleich skrupelloseste Figur der Rechten der Nachkriegsjahre.

Es bestand eine Komplizenschaft zwischen der NS-Führung und Teilen der deutschen Bevölkerung

Die schnelle und vollständige Umorientierung von Wirtschaft und Finanzen auf die Vorbereitung des Krieges führte zu einem raschen Wiedererstarken der deutschen Volkswirtschaft. Dadurch wurden aber ebenso rasch die Ressourcen ausweglos überdehnt, was den Eroberungskrieg von einer Option zur Notwendigkeit machte. In der wirtschaftlichen Stabilisierung und der Verbesserung der Lebensverhältnisse und nicht allein in Überwachung und Terror liegen die wichtigsten Gründe für die Loyalität in wachsenden Teilen der deutschen Gesellschaft gegenüber dem Regime.

Der Beginn des Krieges bedeutete den tiefsten Einschnitt in der Geschichte des Regimes. Die kolonialistisch geprägte, genuin gewalttätige Besatzungspolitik in Polen, der Vernichtungskrieg in der Sowjetunion, schließlich die Ingangsetzung des Genozids an den europäischen Juden bezeichnen die Stationen einer Schreckensherrschaft, die alle bisher bekannten Dimensionen überstieg. Dabei entwickelte sich eine Art von Komplizenschaft zwischen der NS-Führung und Teilen der deutschen Bevölkerung, die sich aus dieser Verbindung bis zum Schluss nicht lösen konnte. Am Ende dieses von den Deutschen begonnenen Krieges stand eine militärische, politische und moralische Niederlage, wie es sie zuvor in der Geschichte der Neuzeit nicht gegeben hatte.

Das Dritte Reich
Geschichte einer Diktatur
Ulrich Herbert
Verlag: C. H. Beck
Broschierte Ausgabe: 133 Seiten, Auflage: 2016
ISBN: 978-3-406-69778-4, 8,95 Euro

Von Hans Klumbies