Seneca behauptet, dass kein Mensch ohne dem Studium der Philosophie wirklich glücklich, geschweige denn erträglich leben kann und dass ein glückliches Leben nur durch eine gründliche philosophische Bildung erreicht werden kann. Nach den ersten Schritten auf dem philosophischen Terain bedarf es beharrlicher, unablässiger Bemühungen, um Ausdauer und Kraft hinzuzugewinnen, bis aus dem guten Wollen eine edle Gesinnung entsteht. Jeder Mensch sollte sich immer wieder prüfen, sich selbst auf mannigfache Weise erforschen und beobachten. Vor allem muss er darauf achten, ob er nicht nur in der Philosophie, sondern auch im praktischen Leben vorangekommen ist.
Die Philosophie sorgt für ein sorgenfreies Leben
Die Philosophie ist für Seneca nicht dazu da, als Kunststück öffentlich vorgeführt zu werden. Nicht Worte machen ihr Wesen aus, sondern Taten. Sie darf den Menschen auch nicht dazu dienen, den Tag in angenehmer Unterhaltung zu verbringen und ihn in der Freizeit vor Langeweile zu bewahren. Denn die Philosophie ist es ja, die das Innere des Menschen formt und bildet, sein Leben ordnet, seine Handlungen lenkt und ihm zeigt, was er zu tun und zu lassen hat. Sie bestimmt den Kurs, wenn der Mensch im Leben unschlüssig den richtigen Weg sucht.
Ohne die Philosophie vermag laut Seneca kein Mensch sorgenfrei und sicher zu leben. Der Mensch braucht fast jede Stunde einen Rat, den er nur bei ihr finden kann. Seneca schreibt: „Mag uns das Schicksal mit unerbitterlicher Gesetzmäßigkeit binden oder ein richtender Gott das ganze Weltall ordnen oder der regellos waltende Zufall mit allem Menschlichem sein Spiel treiben: die Philosophie muss unser Schild sein!“ Sie wird die Menschen dazu ermutigen, dem launischen Schicksal zu trotzen.
Jeder Mensch sollte seinen eigenen Weg gehen
Die Philosophie lehrt die Menschen laut Seneca den Zufall und ihr Schicksal anzunehmen und zu ertragen. Außerdem soll sich der Mensch nach den natürlichen Gegebenheiten richten. Seneca zitiert Epikur, der sagt: „Lebst Du nach der Natur, wirst Du niemals arm, richtest Du Dich nach Deinen Wunschvorstellungen, wirst Du niemals reich sein.“ Denn die Natur kommt mit Wenigem aus, Wunschträume dagegen verlangen Unermessliches.
Für Seneca haben natürliche Bedürfnisse ihre Grenzen. Er schreibt: „Was irrigen Wunschvorstellungen entspringt, kennt kein Maß, denn der Irrtum spottet jeder Grenze.“ Wer dagegen seinen eigenen Weg geht, kommt einmal an sein Ziel, Irrwege dagegen führen ins Nichts. Der Mensch sollte sich also aus nichtiger Betriebsamkeit zurückziehen, wenn er wissen will, ob seine Wünsche natürlichem Bedürfnis oder blinder Begierde entspringen. Auf jeden Fall sollte er darauf achten, ob seine Wünsche irgendwann von selbst zur Ruhe kommen.
Von Hans Klumbies