Das Denken und Verhalten eines Kaufmanns richtet sich auf die Optimierung von Umsatz und Gewinn. Der Philosoph und Ökonom Thureau-Dangin vertritt sogar folgende These: „Jedes Vorhaben verwandelt sich in ein Marktangebot.“ Rotraud A. Perner bedauert, dass dies sogar auf den Auftritt politischer Parteien zutrifft. Politiker werden vermarktet, angepriesen wie auf einem Basar für Sklaven, während die Parteiprogramme nur so von Phrasen strotzen und die wahren Entscheidungen verschleiert werden. Philippe Thureau-Dangin betont: „Selbst die mächtigsten Politiker und die größten Finanzkapitäne der Welt wissen keineswegs alles, tun aber doch so, als bestimmten sie das Schicksal einer Welt, von der sie zu großen Teilen gar keine Kenntnis haben.“ Rotraud A. Perner ist Juristin, Psychotherapeutin, Psychoanalytikerin und absolvierte postgraduale Studien in Soziologie und evangelischer Theologie. Ihr aktuelles Buch heißt „Die reuelose Gesellschaft“ und ist im Residenz Verlag erschienen.
Alle Märkte sind zweigeteilt
Niemals waren Informationen in dieser Konzentration und Vielfalt vorhanden wie heutzutage und niemals zuvor wussten die Menschen so wenig über das, was sie umgibt und ihr Leben prägt. Vor allem die Welt der Wirtschaft ist den meisten völlig schleierhaft. Philippe Thureau-Dangin erläutert: „Ein Nebel von Überinformation legt sich über die sozialen Fragen. Die Undurchschaubarkeit der wirtschaftlichen Prozesse und ihre hohe Komplexität führen dazu, dass sich jeder als Teil eines Puzzles fühlt, von dem niemand weiß, was es schließlich darstellen soll.“
Rotraud A. Perner sieht eine Zweiteilung bei allen Märkten und erklärt das oberflächlich wie folgt: In der Vergangenheit gab es nur einen Markt für alle Menschen. Luxusgüter wurden individuell und fernab von Masse angefertigt. Dort, wo dagegen das Elend herrschte, musste der Bedarf des täglichen Lebens in Eigenregie selbst hergestellt werden. Das war eine bittere Notwendigkeit. Seit der Massenproduktion von Billigwaren gleichen sich die Massenfertigungen scheinbar. Dafür sorgt auch der zunehmende Diebstahl des Designs von Luxusartikeln.
Seichte Unterhaltung verdrängt die Luxusware Denklust
Ähnliches geschieht heute auf dem Bildungsmarkt. Rotraud A. Perner erläutert: „Wer nicht von vermögenden Eltern durch die Bildungsinstitutionen durchgetragen oder durchgepeitscht wird, muss selbst für seine Bildung sorgen – wie vor zweihundert Jahren.“ Vor rund hundert Jahren waren noch Arbeiterbildungsvereine um Wissensvermehrung bemüht. Heute haben außerschulische und berufsexterne Bildungsangebote nur noch den Charakter einer Ware und sollen vor allem Geld einbringen.
Die psychologische Kaufwerbung zielt laut Rotraud A. Perner auf Gier, Geiz, Hochmut und Neid der Konsumenten. Die Billigware seichte Unterhaltung und Primitivinformation mit den ewig gleichen vertrauenswürdigen, das bedeutet angepassten Moderatorinnen und Moderatoren, verdrängt die Luxusware Denklust. Selbst in Talkshows, die noch einen gewissen Informationsanspruch haben, wird Duell gespielt. Die teilnehmenden Experten, vor allem Männer, werden nach ihrem Streitpotenzial ausgesucht und anschließend aufeinander losgelassen.
Von Hans Klumbies