Die Arbeit ist zeitraubend und meist anstrengend, aber immerhin verleiht sie den Menschen den Eindruck von einem geregelten Leben. Die Regeln der Arbeit haben laut Rebekka Reinhard aber mit den Regeln des Lebens nicht viel zu tun. Die vielleicht wichtigste Lebensregel besagt: „Am Ende kommt es doch anders, als du denkst.“ Dieser Satz macht deutlich, dass das Leben nichts ist, was der Mensch bis ins Letzte regeln, planen und in Schach halten könnte. Er ist deshalb dazu aufgerufen, die bisher bekannten Lebensregeln immer wieder in Frage zu stellen und wenn es nötig ist, abzuändern oder sogar neu zu erfinden. Dieser unbequemen Wahrheit würden die meisten am liebsten aus dem Weg gehen.
Die meisten Menschen brechen nicht aus ihrem Beruf aus
In Zeiten, in denen befristete Arbeitsverträge die Regel und nicht die Ausnahme sind, scheuen die meisten Menschen davor zurück, aus ihrem Beruf auszubrechen. Natürlich bliebe der Ausbruch für das Individuum nicht folgenlos, aber dafür stünde ihm die Welt offen. Mit diesem Gedanken haben bestimmt schon sehr viele Menschen gespielt. Aber die Realität ist eine andere, in der Realität der Gegenwart ist es nicht vorgesehen, das System in Frage zu stellen.
Ein Mensch, der auch nur einen Augenblick den Bannkreis seiner Ordnung verlässt, könnte auf das schrecklichste Gefahr laufen, seinen Platz für immer zu verlieren und als Auswurf des Universums zu enden, wie es der amerikanische Schriftsteller Nathaniel Hawthorne, der von 1804 bis 1864 lebte, einst formulierte. Dennoch ist der Wunsch frei zu sein von dem, was der Mensch eigentlich nicht tun möchte, der erste Schritt, um frei für das zu sein, was er wirklich will.
Es gibt kein für alle Mal geregeltes Leben
Rebekka Reinhard zitiert die Erzählung „Die Verwandlung“ des Prager Schriftstellers Franz Kafka (1883 – 1924), weil die Geschichte des Gregor Samsa, der sich eines Morgens in ein ungeheueres Ungeziefer verwandelte den Leser nicht nur an die Grenzen seines Vorstellungsvermögens versetzt, sondern auch an die Grenzen seines Wohlbefindens. Die Philosophin schreibt: „Die Lektüre der „Verwandlung“ ist eine hervorragende Übung, um uns mit unserer eigenen Angst vor der Verweigerung, dem Scheitern, dem Systemabsturz auseinanderzusetzen – mit allem, was uns den Boden unter den Füßen wegziehen könnte.“
Denn so sehr es der Wunschtraum der meisten Menschen ist: Es gibt kein für alle Mal geregeltes Leben. Laut Rebekka Reinhard gibt es nur mehr oder weniger geglückte Regelungsversuche. Sie schreibt: „Und das ist auch gut so. Denn wenn das Leben nicht immer die größten Überraschungen für uns bereithielte, wäre es dann noch Leben.“
Von Hans Klumbies