Das neue Philosophie Magazin 04/2016 stellt im Titelthema die Frage: „Wo endet meine Verantwortung?“ Endet sie bei einem Menschen selbst, seiner Familie oder nie und nirgendwo? Das Dilemma ist klar: Setzt man der eigenen Verantwortung enge Grenzen, gilt man schnell als egoistisch und unsolidarisch. Begreift man sie dagegen als endlos, überfordert man sich und verliert möglicherweise jegliches Maß. In einem Gespräch mit Sonja Flaßpöhler betont Stefan Gosepath, Professor für Praktische Philosophie an der Freien Universität Berlin, dass es eine globale Hilfspflicht gibt. Hilfe in Not ist für ihn mehr als ein Akt der Barmherzigkeit. Sie ist eine moralische Pflicht. Stefan Gosepath differenziert: „Es gibt korrektive Gerechtigkeitspflichten, und es gibt Hilfspflichten. Die Gerechtigkeitspflicht resultiert aus eigener Schuld, die ich verpflichtet bin, wiedergutzumachen. Der Hilfspflicht hingegen geht keine eigene Schuld voraus.
Bei Menschenrechtsverletzungen muss die Weltgemeinschaft eingreifen
Stefan Gosepath fordert eine globale Flüchtlingssteuer, die ein Teil einer allgemeineren Hilfssteuer wäre, die auch und besonders der Bekämpfung der Armut dienen könnte. Stefan Gosepath sagt: „Wir haben eine globale Armut und wir haben einen globalen Reichtum. Der Ausgleich ist am besten durch Steuern zu realisieren. So wäre die Last auf viele Schultern verteilt, die Gefahr der Überforderung gebannt.“ Wenn Menschenleben gefährdet sind und Menschenrechte verletzt werden, dann ist die Weltgemeinschaft gefordert.
Konrad Paul Liessmann, Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien, warnt beim Thema Verantwortung vor der Selbstüberschätzung: „Der aufgeklärte Europäer übernimmt gerne Verantwortung. Und zwar für alles und jeden.“ Das ist für Konrad Paul Liessmann unverantwortlich. Deshalb plädiert er für eine Obergrenze bei der Verantwortung. Die Menschen können in erster Linie für das verantwortlich gemacht werden, was sie selbst getan haben. Eine grundlegende Voraussetzung für die Zurechnung von Verantwortung ist also die Freiheit, sind Selbstbewusstsein und Selbstbestimmtheit einer Handlung.
Lambert Wiesing spricht über das Phänomen „Luxus“
In der Rubrik „Das Gespräch“ kommt diesmal Lambert Wiesing zu Wort. Seit 2008 lehrt er Bildtheorie und Phänomenologie an der Universität Jena. Sein jüngstes Buch hat er dem Phänomen „Luxus“ gewidmet. Das entscheidende am Luxus ist für Lambert Wiesing das bewusst Trotzige und Verweigernde: „Obwohl jemand weiß, vielleicht gerade weil er weiß, dass das Besitzen eines gewissen Gegenstandes unvernünftig, nichtzweckmäßig und nichtrational ist, macht er es entgegen allen Angemessenheitserwartungen und Korrektheitsvorstellungen trotzdem.“
Der Klassiker unter den Denkern ist diesmal Søren Kierkegaard (1813 – 1855). Für welche Existenzweise sich ein Mensch entscheidet, ist für ihn die fundamentale Herausforderung, der jeder Mensch gegenübersteht. Es handelt sich dabei um eine radikale Wahl, die das gesamte Leben betrifft. Søren Kierkegaard unterscheidet verschiedene Arten des Verhältnisses zu sich selbst und zur Welt. Er nennt sie die „Stadien“ der Existenz: das ästhetische Stadium, das ethische Stadium und das religiöse Stadium. Sie sind nicht notwendige Etappen eines Lebenswegs, sondern grundlegend verschiedene Existenzweisen.
Von Hans Klumbies