Das Gegenteil des Denkens ist die Gedankenlosigkeit

Im neuen Philosophie Magazin Nr. 6/2014 für die Monate Oktober/November beschäftigt sich das Titelthema mit „Denken lernen“. Denn denken zu können unterscheidet den Menschen mutmaßlich von allen anderen Lebewesen. Für die Philosophin Hannah Arendt ist beispielsweise die Fähigkeit zu denken, weder an eine besonders hohe Intelligenz oder Begabung gebunden, noch steht sie in einem direkten Zusammenhang mit der konkret problemlösenden Kreativität des Einfalls oder der Idee. Das Gegenteil des Denkens ist für Hannah Arendt daher auch nicht die Dummheit, sondern die Gedankenlosigkeit als der sorglose Unwille, eigene Überzeugungen produktiv in Frage zu stellen. Und kein Mensch ist von Haus aus so beschränkt, dass er auf Ewigkeit zu diesem Schicksal verurteilt bliebe. Als wichtigste Voraussetzung, um das Denken zu lernen, nennt Hannah Arendt den Mut, sich auf widersprüchliche Offenheit und Vielfalt der Welt einzulassen.

Die Kernfrage der Philosophie lautet: „Wie soll man leben?“

In der Rubrik „Das Gespräch“ hat das Philosophie Magazin diesmal mit dem großen Vordenker des Multikulturalismus, mit Charles Taylor gesprochen. Charles Taylors Philosophie kreist um die Frage, was ein modernes Ich im Innersten zusammenhält. Die Kernfrage der Philosophie ist und bleibt für ihn: „Wie soll man leben? Das war schon in der Antike ihr Zentrum.“ Intensiv beschäftigt hat sich Charles Taylor auch mit der Rolle des anderen für die eigene Selbstwerdung. Er spricht in diesem Zusammenhang von einer dialogischen Konzeption des Menschen.

Sehr interessant ist auch die Unterhaltung zwischen der Philosophin Mirjam Schaub und dem Autor, Sänger und Texter Sven Regener. Dabei soll folgende Frage beantwortet werden: „Was reizt uns am Exzess?“ Für Mirjam Schaub geht es beim Exzess darum, das Maßlose zu wollen, mit der Übertreibung und dem Überschuss und auch mit dem Lächerlichen und Erbärmlichen darin einverstanden zu sein. Sven Regener findet nicht, dass der Exzess der Ausdruck eines Todestriebs ist. Man kann ich genauso gut als Ausdruck von Lebensfreude betrachten.

Theodor W. Adorno weist den Weg zu einer ungezwungenen Lebensführung

In der Rubrik „Der Klassiker“ geht es diesmal um Theodor W. Adorno (1903 – 1969). Seiner Meinung nach ist es nicht die Aufgabe der Philosophie, den Menschen zu sagen, wie sie leben sollen, sondern die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse zu kritisieren, in denen das Richtige allenfalls als ein Lichtblick aufscheint. Laut Theodor W. Adorno wird zu ungezwungener Lebensführung fähig, wer im Verhältnis zu sich und der Welt Abstand vom Ziel der Verfügung findet – wer Zeit und Raum gewinnt für den langen Blick der Kontemplation.

Das Buch des Monats stammt diesmal von Martha C. Nussbaum und trägt den Titel „Politische Emotionen“. Eine Politik der Gefühle muss sich ihrer Meinung nach auf freiheitlichen Werten gründen. In Martha Nussbaums Konzept ist es dabei weniger die Aufgabe einzelner Politiker, sich um die Gefühle zu kümmern, sondern die eines jeden Bürgers. In der Familie werden die Grundlagen für ein ziviles Miteinander gelegt. Aus liebevoll erzogenen Kindern werden selten hasserfüllte Menschen. Bei der Verwirklichung einer gerechten Gesellschaft geht es bei Martha C. Nussbaum auch immer um die Liebe.

Von Hans Klumbies