Der Mensch denkt und kann sich irren

Nur wer von einer Sache überzeugt ist, eine Meinung hat oder sich ein Urteil bilden kann, kann darin irren. Ludwig Huber blickt zurück: „Schon in der Antike und im Mittelalter haben Philosophen unterschiedliche Antworten auf die Fragen gefunden, ob Tiere denken können, Entscheidungen treffen, Ziele haben und Handlungen planen. Und schließlich haben sie auch darüber nachgedacht, ob Tiere etwas in vollem Bewusstsein tun.“ Oftmals wurde die Frage des Denkens bei Tieren kategorisch und allgemein gestellt. Dabei nahm man weder auf die möglichen Unterschiede zwischen Tierarten oder gar Individuen Rücksicht, noch auf die Möglichkeit unterschiedlicher Denkkategorien. Man stellte die Frage „Denken Tiere?“ deshalb so allgemein, weil man auf einen entscheidenden, kategorischen Unterschied zum denkenden Menschen hinweisen wollte. Ludwig Huber ist Professor und Leiter des interdisziplinären Messerli Forschungsinstituts für Mensch-Tier-Beziehungen an der Veterinärmedizinischen Universität Wien.

Nur der Mensch kann reinen Unsinn glauben

In der sogenannten „anthropologischen Differenz“ ging und geht es um alles oder nichts. Bei der Frage nach der menschlichen Natur, im Sinne menschlicher Selbsterkenntnis, waren und sind Tiere bis heute wichtige Gradmesser. Gemäß dem deutschen Idealisten Georg Wilhelm Friedrich Hegel kann man nicht oft genug daran erinnert werden, dass das, wodurch sich der Mensch vom Tier unterscheidet, das Denken ist. Demgemäß können Tiere auch nicht irren. Der amerikanische Philosoph Donald Davidson nennt die besondere Form eines geistigen Inhalts – eine Überzeugung, einen Wunsch oder eine Absicht – eine propositionelle Einstellung.

Einerseits hat dieser Inhalt eine bestimmte Form, die sogenannte Subjekt-Prädikat-Struktur. Andererseits hat er auch einen Wahrheitswert. Es drängt sich die Frage auf, ob also Irren allein menschlich ist, wie der Philosoph Anselm Oelze erläutert. Ludwig Huber stellt fest: „In seiner extremen Form mag das eventuell stimmen, denn – wie mein Lehrer an der Universität Wien, Rupert Riedl, immer wieder betonte – reinen Unsinn zu glauben ist ein Privileg des Menschen.

Laut Aristoteles verfügt nur der Mensch über Vernunft und Verstand

Aber könnte man nicht auch einfach unvernünftig handeln, anstatt gleich völlig ins Absurde abzuheben? Bereits Aristoteles traf in „De Anima“ diesbezüglich eine Vorentscheidung, weil er nur den Menschen im Besitz von Vernunft und Verstand meinte. Nicht nur antike Philosophenschulen, wie etwa die Stoiker, sind ihm dabei gefolgt, sondern auch viele Philosophen des Mittelalters. Dies kann man der ausgezeichneten Darstellung von Anselm Oelze im Aufsatz „Können Tiere irren? Philosophische Antworten aus dem 13. und 14. Jahrhundert“ entnehmen.

Ludwig Huber fügt hinzu: „Mit dem Fehlen eines Intellekts geht das Unvermögen zur intellektuellen Korrektur sinnlicher Fehlurteile einher, meinte etwa Avicenna Latinus.“ Und in „De animalibus“ gesteht Albertus Magnus den Affen die Bildung von „unvollständigen Schlüssen“, einfachen praktischen Syllogismen und Induktionen zu. Aber er glaubt, dass ihre Vorstellungskraft nicht mit dem Intellekt verbunden ist. Einfache Unterscheidungen und sogar Verallgemeinerungen bedürfen keiner Urteile. Zumindest nicht solcher, die über jene der inneren und äußeren Sinne hinausgehen. Quelle: „Das rationale Tier“ von Ludwig Huber

Von Hans Klumbies