Nichts schont das Klima mehr als der Verzicht

Die Reparatur symbolisiert die Bereitschaft zu „armen“ Lösungen, zu einem ökologischen Konservatismus. Dieser unterscheidet sich doch stark vom Konsumkonservatismus der Wirtschaftsliberalen. Denn diese leugnen den Klimawandel und „erschließen“ lieber Naturschutzgebiete, als sparsamer zu wirtschaften. Wolfgang Schmidbauer betont: „Es gibt keine einfache Aktion, die das Klima mehr schont, als der Verzicht. Natürlich sind Windkraftanlagen trotz der Umweltbelastungen, die sie mit sich bringen, besser als Atomkraftwerke. Aber beide übertrifft der Verzicht auf Verschwendung in seiner Nachhaltigkeit bei Weitem.“ Gefordert ist das Denken in komplexen Systemen – mit Respekt vor persönlichen Bedürfnissen. Wer ein altes Auto aufmerksam und liebevoll pflegt, gewinnt etwas an ökologischer Qualität. Denn er verzichtet auf den Neuwagen und ist motiviert, schonend zu fahren. Der Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer ist Autor zahlreicher Fach- und Sachbücher, die sich millionenfach verkauften.

Umweltschutz muss Freude machen

Wolfgang Schmidbauer kritisiert: „Leider ist die Industrie bisher nicht in der Lage, ein sparsames, leichtes und ressourcenschonendes Auto zu bauen, das jeder Nutzer selbst reparieren kann.“ Die Elektromobilität der großen Produzenten geht den Weg der Nachahmung, der sich schon lange als Irrweg erwiesen hat. Die Elektroautos fahren zu schnell, sind zu teuer und zu schwer. Wer sich vegetarisch ernährt, tut einen richtigen Schritt.

Eine dauerhafte Motivation, anders mit sich selbst und der Umwelt umzugehen, wird man nur auf Wegen finden, die man mit Freude geht. Man sollte sich von den banalen Gewohnheiten der Konsumgesellschaft wegbewegen. Denn diese produziert nur Abhängigkeit von Geld und Experten. Wolfgang Schmidbauer gibt zu, dass auch dieser Weg seine Gefahren hat. Reparaturkunst produziert Unsicherheit, weckt aber gleichzeitig menschliche Aufmerksamkeit, um diese Unsicherheit auszugleichen.

Die Kunst der Reparatur lebt von der Kreativität

Große Landstriche in der Ukraine und in Japan sind radioaktiv verseucht. Und noch immer weiß niemand, wo der strahlende Müll der bedenkenlos gebauten Meiler enden wird. Jetzt steht die Menschheit vor der Aufgabe, mit dem Zusammenbruch dieser Selbstüberschätzung umzugehen. Es gibt laut Wolfang Schmidbauer zwei Wege, eine solche psychologische Aufgabe zu bewältigen. Der erste ist die Trauer. Sie realisiert den Verlust an Macht und Kontrolle. Sie hilft dabei, sich auf einem bescheideneren Erwartungsniveau neu zu organisieren und zu konsolidieren.

Der zweite, gegenwärtig ungleich beliebtere, ist die manische Abwehr. Diese verleugnet den Fehler oder redet ihn klein. Den brillanten Ingenieuren wird niemals passieren, was da in der Ukraine geschah, solche Fehler machen sie nicht. Die Beliebtheit dieser manischen Abwehr lässt sich durch die Bereitschaft belegen, Virtuosen einer herbeigelogenen Grandiosität in Führungspositionen zu befördern. Die Kunst der Reparatur dagegen entfaltet eine anarchische Kreativität in Opposition zu den perfektionistischen Versprechen, alle Dinge wieder wie neu oder gar noch besser zu machen. Quelle: „Die Kunst der Reparatur“ von Wolfang Schmidbauer

Von Hans Klumbies