Deutschland ist heute Europas große Hoffnung

James Hawes begibt sich in seinem neuen Buch „Die kürzeste Geschichte Deutschlands“ auf einen rasanten Streifzug durch die Jahrhunderte, von den alten Germanen bis zur Bundesrepublik Deutschland im 21. Jahrhundert. James Hawes erzählt 2000 Jahre deutsche Geschichte entlang der politisch brisanten Frage: Wohin gehört dieses Land im Herzen Europas? Ist es eher dem Westen oder dem Osten zuzurechnen? James Hawes hat sich entschieden: „Deutschland ist heute Europas große Hoffnung. Es muss jetzt handeln, und es muss als das Land anerkannt werde, das seine Bestimmung endlich erfüllt: ein mächtiges Land im Herzen des Westens zu sein.“ Gegliedert hat James Hawes seinen Parforceritt durch die deutsche Geschichte in vier Kapitel, die jeweils rund 500 Jahre umfassen. Der englische Germanist James Hawes ist Universitätsdozent für kreatives Schreiben in Oxford und Schriftsteller.

Karl der Große wird im Jahr 800 zum römischen Kaiser gekrönt

Im Vorwort weist James Hawes darauf hin, dass selbst in Deutschland einiges auf die schiefe Bahn geraten ist: „Trotz der Unsummen, die seit der Wiedervereinigung in die neuen Bundesländer geflossen sind, zeigt sich dort ein brüllendes, autoritäres Gedankengut, das man längst überwunden glaubte.“ Ansonsten entwickelt James Hawes in seinem Buch ein knappes, aber scharf umrissenes Porträt Deutschlands, das wie kein anderes Land die Ressourcen erworben hat, über sich selbst nachzudenken und den Weg zum Besseren einzuschlagen.

James Hawes erinnert an Karl den Großen, der vor allem deshalb so bedeutend ist, weil er als Brückenbauer zwischen Antike und Neuzeit die Vermittlung der Kultur des römischen Europa an das Mittelalter und weiter an die künftigen Generationen sicherstellte. Am Weihnachtstag des Jahres 800 wurde Karl der Große zum römischen Kaiser gekrönt. Das westliche Imperium war wieder da, und sein Machtzentrum lag im Westen Deutschlands, in Aachen. Doch paradoxerweise stand die germanische Kultur gerade jetzt vor ihrer Auslöschung, denn des Imperium Karls des Großen verwaltete, urteilte und betete auf Latein.

Von der Alternative für Deutschland (AfD) ist nichts Ernstes zu befürchten

Am 18. Januar 1871 wurde das neue deutsche Kaiserreich im Spiegelsaal von Versailles ausgerufen. Es wurde in der berauschenden Atmosphäre des Sieges über Frankreich gegründet, und seine Wirtschaft gefüttert mit Waggonladungen von Gratisgoldbarren aus dem besetzten Nachbarland, geriet augenblicklich in einen Boom. Dennoch war es von Beginn an ein recht seltsames Gebilde. Das Reich schien so konstruiert, dass ein anderer als Bismarck es unmöglich hätte regieren können. Der Preußische Landtag regelte die Tagesgeschäfte von zwei Dritteln des Reiches.

James Hawes leitet aus seiner kürzesten Geschichte Deutschlands eine ganz praktische Lektion für deutsche Politiker ab: „Deutsche sind nur unter ganz bestimmten Umständen für die autoritären Ansichten des „wir gegen sie“ empfänglich, und selbst dann ist ihre Empfänglichkeit begrenzt.“ Das heißt für James Hawes, dass von der Alternative für Deutschland (AfD) nichts Ernstes zu befürchten ist. Im Westen wird sie nie dieselbe Zugkraft wie in Teilen des Ostens haben. Die Wunschvorstellung von 1990, dass das ehemalige Ostdeutschland bald wie Westdeutschland werde, muss aufgegeben werden.

Die kürzeste Geschichte Deutschlands
James Hawes
Verlag: Propyläen
Gebundene Ausgabe: 331 Seiten, Auflage 2: 2018
ISBN: 978-3-549-07640-8, 18,00 Euro

Von Hans Klumbies

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