Bei einem Trauma wird Todesangst erlebt

Eine Angststörung muss man ganz eindeutig von einer Traumastörung trennen. Georg Pieper erläutert: „Unter Trauma verstehen wir in der Psychologie außergewöhnlich belastende Ereignisse oder Situationen, in denen Todesangst erlebt wird. Entweder ist das eigene Leben direkt in Gefahr oder, wie zum Beispiel bei einer Vergewaltigung, die eigene körperliche Unversehrtheit schwer bedroht.“ Auch als Zeuge eines solchen Ereignisses kann man ein Trauma erleiden. In einer traumatisierten Situation erlebt man außerdem das Gefühl der totalen Hilflosigkeit und des Kontrollverlusts. Man hat den Eindruck, die Situation nicht mehr handhaben zu können und ihr vollkommen ausgeliefert zu sein. Nicht alle Menschen entwickeln allerdings nach einer traumatisierenden Situation eine posttraumatische Belastungsstörung. Manche kommen mit solchen schweren Erlebnissen erstaunlich gut zurecht. Dr. Georg Pieper arbeitet als Traumapsychologe und ist Experte für Krisenintervention.

Traumatisierte Menschen stehen ständig unter großer körperlicher Anspannung

Sie sind nur kurze Zeit erschüttert und kommen dann nach einer Zeit von einigen Tagen bis zu vier Wochen wieder in einen ausgeglichenen Zustand. Andere Menschen sind tatsächlich schwer betroffen und entwickeln eine Traumafolgestörung. Georg Pieper erklärt: „In einer traumatisierenden Situation sind die kognitiven Prozesse sehr eingeschränkt. Man nimmt das Geschehen war, kann es aber nicht verarbeiten.“ Wie man in der Traumatherapie allerdings weiß, speichert der Körper jedoch alles.

All diese Erfahrungen der Ohnmacht, der Hilflosigkeit, des Schmerzes, des Kontrollverlustes. Der Körper reagiert dann bei den sogenannten Triggerreizen, also bestimmten Geräuschen, Gerüchen, Bildern, Situationen, die ihn daran erinnern, immer wieder mit demselben Mechanismus der Angst. Die Symptome, die sich bei Traumatisierten nach dem traumatischen Erlebnis entwickeln, sind zum einen starke Intrusionen, das heißt Wiedererleben des Ereignisses. Zum anderen stehen traumatisierte Menschen ständig unter großer körperlicher Anspannung und sind sehr schreckhaft.

Der Begriff Trauma sollte nicht inflationär verwendet werden

Georg Pieper fügt hinzu: „Sie haben etwas Furchtbares erlebt und halten die Gefahr, dass wieder etwas Schlimmes passiert, für äußerst hoch.“ Das dritte Symptom ist die Vermeidung. Traumatisierte versuchen alles zu vermeiden, was sie an das Ereignis erinnert, um sich nicht wieder so schlecht zu fühlen. Georg Pieper ist sehr gegen die vorschnelle und inflationäre Verwendung des Begriffs Trauma. Er glaubt aber tatsächlich, dass nach bestimmten Ereignissen ein kollektives Trauma zu beschreiben ist.

Allerdings muss man dieses Phänomen genau definieren. Ein kollektives Trauma ist nicht das Gleiche wie ein Trauma bei einem einzelnen Menschen. Sie Symptomatik und die Folgen lassen sich nicht eins zu eins auf Hunderttausende Bewohner einer Stadt oder einer Region übertragen. Den Begriff „kollektives Trauma“ benutzt man zum Beispiel bei Massenvergewaltigungen oder bei Verbrechen wie denen zur Zeit der Militärdiktatur in Argentinien von 1976 bis 1983, als Tausende Oppositionelle einfach verschwanden und, wie später bekannt wurde, über dem offenen Meer aus einem Hubschrauber herausgestoßen wurden. Quelle: „Die neuen Ängste“ von Georg Pieper

Von Hans Klumbies

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