Eine sehr bekannte Theorie der Regulation von Emotionen, die viele Studienergebnisse gut erklären kann, stammt von James J. Gross. Er unterscheidet verschiedene Regulationsformen danach, an welchem Zeitpunkt im Verlauf der Entstehung einer Emotion sie ansetzen. Judith Glück erklärt: „Zunächst werden Emotionen ja durch bestimmte Situationen ausgelöst. Manchmal kann man Ärger oder Furcht sehr gut aus dem Weg gehen, indem man sich in bestimmte Situationen gar nicht erst begibt.“ Will oder kann man eine bestimmte Situation nicht vermeiden, dann kann man versuchen, sie zu verändern, indem man etwas die Gespräche mit einer Person so lenkt, dass kritische Themen ausgespart werden. Auch Notlügen können dabei manchmal angebracht sein. Judith Glück ist seit 2007 Professorin für Entwicklungspsychologie an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.
Gewisse Strategien verhindern negative Gefühle
Oft ist es auch möglich, die eigene Aufmerksamkeit zu steuern, indem man potenzielle Auslöser negativer Gefühle einfach nicht beachtet und sich auf andere Themen konzentriert. Das kann beispielsweise hilfreich sein, wenn man im Beruf mit unangenehmen Menschen konfrontiert ist. Vielleicht kann man die eigene Aufmerksamkeit einfach auf die Sachebene oder auch auf ein bevorstehendes erfreuliches Ergebnis lenken. Alle diese Strategien verhindern, dass negative Gefühle überhaupt erst entstehen.
Wesentlich ungesünder ist es laut James J. Gross, negative Gefühle, die bereits entstanden sind, zu unterdrücken. Judith Glück erläutert: „Wer seinen Zorn, seinen Neid, seine Angst nicht zulässt, obwohl die körperlichen Anzeichen vorhanden sind, der tut sich und vor allem seinem Körper nichts Gutes.“ Verschiedene körperliche und psychische Erkrankungen werden mit dieser Art von Emotionsregulation in Verbindung gebracht. In Ausnahmefällen aber hat man natürlich gute Gründe, eine Emotion zu unterdrücken und nach Möglichkeit nicht zu zeigen.
Weise Menschen lassen sich auch auf negative Gefühle ein
Die meisten Menschen sind recht gut darin, negative Gefühle effektiv zu regulieren, um ihr Wohlbefinden zu erhalten. Vieles was ihnen Angst macht oder sie ärgern könnte, ignorieren sie oder deuten es um. Auf die Frage, ob das auch für weise Menschen gilt, antwortet Judith Glück, dass sich weise Menschen in höherem Maß auf negative Gefühle einlassen, als die meisten anderen Menschen das tun. Dadurch machen sie ihre Erfahrungen in der ganzen Breite und Tiefe und haben dadurch auch die Chance, sich weiterzuentwickeln.
Der weise Umgang mit Gefühlen erfordert also zunächst die Bereitschaft, sich auf diese einzulassen. Die unerwünschten, die widersprüchlichen und komplizierten, die subtilen Gefühle einerseits überhaupt zu bemerken und anzuerkennen, andererseits die schlimmen, schmerzhaften Gefühle so weit wie möglich auszuhalten. Diese intensive Auseinandersetzung mit diesen negativen Gefühlen führt nicht unbedingt, oder zumindest nicht auf direktem Wege, zu mehr Wohlbefinden, ebenso wie die Offenheit für andere Perspektiven, die Bereitschaft, die eigenen Standpunkte zu überdenken, Menschen nicht immer glücklich macht. Quelle: „Weisheit“ von Judith Glück
Von Hans Klumbies