Es gibt Vorschläge, eine Theorie der Gerechtigkeit solle nicht Fragen der Verteilungsgerechtigkeit in den Vordergrund stellen. Sondern es wird gefordert, eher das Erreichen von politscher Gleichheit nach vorne zu rücken. Das kommt laut Danielle Allen mit der Behauptung gleich, dass man Gerechtigkeit mit demokratischen Mitteln erreichen kann. Das moderne Experiment einer demokratischen Regierungsform währt seit beinahe 250 Jahren und dennoch tun sich viele auch heute noch mit dem Verständnis der Ideale schwer. Danielle Allen stellt fest: „Bis zu einem gewissen Grad schlägt sich in dieser Schwierigkeit die Tatsache nieder, dass der Grund unter unseren Füßen unablässig schwankt. Denn die demografischen Gegebenheiten wandeln sich.“ Die Politikwissenschaftlerin und Altphilologin Danielle Allen lehrt als Professorin an der Harvard University. Zugleich ist sie Direktorin des Edmond J. Safra Center for Ethics in Harvard.
Aristoteles tritt für zwei Gerechtigkeitsprinzipien ein
In der Antike hat der griechische Philosoph Aristoteles erkannt, dass die Frage, welche Institutionen und Normen eine Definition von Gerechtigkeit umsetzen können, von den zugrunde liegenden demografischen Faktoren abhängt. Nämlich von einem ausgeglichenen Verhältnis von Arm und Reich in einer Stadt. Vom prozentualen Anteil der Landwirte, Händler und feinen Leute sowie vom Bildungsgrad der Bürgerschaft und so weiter. Seine Sicht- und Herangehensweise stehen im Gegensatz zu einem Großteil der politischen Philosophie der Gegenwart.
Diese bemüht sich, Gerechtigkeitstheorien zu konstruieren, die häufig von allen konkreten demografischen Mustern oder Gegebenheiten abstrahieren. Aristoteles dagegen tritt für zwei zentrale, nicht kontextspezifische Gerechtigkeitsprinzipien ein. Erstens für ein Prinzip proportionaler Gleichheit, das heißt, der Fähigste soll das höchste Amt bekleiden. Und zweitens für ein Prinzip arithmetischer Gleichheit, wie zum Beispiel die Regel der Wahlgleichheit, die eine Stimme pro Kopf vorsieht.
Danielle Allen will eine „Differenz ohne Herrschaft“
John Rawls meinte, das Differenzprinzip gelte sowohl auf sozialem als auch auf ökonomischen Gebiet. Das Differenzprinzip verlangt, dass ökonomische Ungleichheiten „zum größtmöglichen Vorteil der am wenigsten begünstigten Gesellschaftsmitglieder wirken“. Danielle Allen tritt dafür ein, dass „Differenz ohne Herrschaft“ in der Welt des Sozialen an die Stelle des „Differenzprinzips“ treten sollte. Zudem sollte es dieses in der Welt der Wirtschaft wenn nicht ersetzen, so doch zumindest ergänzen.
„Differenz ohne Herrschaft „ ist für Danielle Allen ein nachdrücklicheres egalitäres Prinzip als das rawlsianische „Differenzprinzip“. Der Wert einer Demokratie kann man intrinsisch aus ihr selbst ableiten oder instrumentell aus den Ergebnisse, die sie gewährleistet. Als Beispiel für Letzteres hat Amartya Sen bekanntlich angeführt, dass die Einführung von demokratischen politischen Institutionen garantiert, dass eine Gesellschaft keinen Hunger leidet. In den beiden letzten Jahrhunderten haben zudem politische Philosophen im Westen geltend gemacht, dass die Demokratie unbestreitbar einen instrumentellen Wert besitzt. Quelle: „Politische Gleichheit“ von Danielle Allen
Von Hans Klumbies