Der kanadische Philosoph Charles Taylor ist ein globaler Denker. In seinen Werken, die von Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Ludwig Wittgenstein inspiriert sind, verbindet sich Ideengeschichte mit aktueller Gesellschaftsanalyse, Metaphysik mit konkreten Gesetzesvorlagen. Im Zentrum der Philosophie von Charles Taylor steht immer die Frage, was ein modernes Ich im Innersten zusammenhält. Charles Taylor zählt zu den bedeutendsten Philosophen unserer Zeit und ist gleichzeitig praktizierender Katholik. Für ihn gibt es zwei Weisen, sich zu einer Religion zu bekennen: „Die erste beruht darin, gewisse Lehrsätze für wahr zu halten und sich nach ihnen zu richten. Die andere, sie ist im Christentum besonders traditionsreich, beschreibt das religiöse Leben als einen Weg oder eine Reise – und den Gläubigen als einen Suchenden.“
Die Sprache konstituiert die Menschen
Die Kernfrage der Philosophie ist und bleibt und Charles Taylor: „Wie soll man leben?“ Das war schon in der Antike ihr Zentrum. Im Denken des kanadischen Philosophen spielt auch die Bedeutung der Sprache für den Menschen eine ganz wichtige Rolle: „Sie ist wesentlich für das eigene Selbstverständnis, sie ist eine Weise, die Welt zu verstehen, sie kultiviert den Sinn des Humors.“ Sprache ist für Charles Taylor kein reines und damit austauschbares Instrument, vielmehr konstituiert sie die Menschen.
Sprachen haben Charles Taylor immer fasziniert, ebenso wie die tiefen Konflikte zwischen verschiedenen Gruppen, die teilweise auf nichts als wechselseitigen Missverständnissen bestehen. Bis heute sieht er es als seine Aufgabe an, zur Klärung solcher Missverständnisse beizutragen. Das Selbst ist für Charles Taylor kein bestimmtes Ding oder Objekt: „Es ist also auch nichts, was in irgendeiner Weise bereits da wäre, um dann gefunden werden zu können. Andererseits gibt es für jeden Menschen eine je eigene Weise, gewisse universale Werte, Ideen und Ziele zu erreichen und umzusetzen.“
Wahre Authentizität besteht in der Realisierung der eigenen Potentiale
Was menschlichen Lebensformen der Überzeugung von Charles Taylor nach innewohnt, ist das Potential eines jeden, seine eigene, individuelle „Stimme“ zu finden. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts wurde der Gedanke: „Ich muss einzigartig sein!“, zu einem gesellschaftlich allgemein anerkannten Ausgangspunkt. Offenbar gibt es ein grundmenschliches Potential, was dieser Idee zum Siegeszug verhalf. Zum anderen ist es von der Kultur vollkommen vereinnahmt worden. In jedem Fall gibt es für Charles Taylor keinen Weg mehr zurück.
Charles Taylor betont: „Es kann nur darum gehen, die guten, produktiven Züge dieser Entwicklung zu stärken und die schlechten möglichst zu minimieren. Den gesunden Kern des allgemeinen Authentizitätsstrebens beschreibt Charles Taylor wie folgt: „Wahre Authentizität besteht in der möglichst umfassenden Realisierung der eigenen Entwicklungsmöglichkeiten und Potentiale.“ Nach seiner dialogischen Konzeption des Menschen konkurrieren in jedem Selbst mehrere Stimmen und Strebungen gleichzeitig um Verwirklichung. Quelle: Philosophie Magazin
Von Hans Klumbies