Die Aufklärung drängt den Adel schrittweise in die Defensive

Das 17. Jahrhundert war in vielen europäischen Ländern eine Epoche der Rearistokratisierung der Gesellschaft und Kultur. Im Zeitalter des Barock vermochte der Adel seine kulturelle Hegemonie wiederherstellen. Die große Bedeutung der Höfe als kulturelle Zentren leistete dazu ebenso einen Beitrag wie der Umstand, dass die Aristokratie ihr eigenes Bildungsprogramm entwickelte. Dabei lag die Betonung auf den modernen Sprachen und zum Teil auch der Mathematik. Aber auch die körperlichen Fertigkeiten wie Reiten, Fechten und Tanzen wurden trainiert. Der vielseitig gebildete Aristokrat, der die Kunst der Konversation vollendet beherrschte und dem ästhetische Probleme ebenso vertraut waren wie literarische Fragen, wurde, ähnlich wie der Gentleman in England, das sie Selbstinszenierung der adligen Eliten in weiten Teilen Europas prägte. Politisch war das 17. Jahrhundert in Frankreich ebenso wie in Mittel- und Nordeuropa durch die Stärkung der monarchischen Herrschaft gekennzeichnet, die den Einfluss der adligen ständischen Vertretungen zurückdrängte.

Die Aufklärung unterzieht die Historie einer scharfen Kritik

Adel und Aufklärung scheinen auf den ersten Blick unvereinbare Gegensätze zu sein. Auf der einen Seite steht eine nach außen abgeschlossene traditionelle Elite, die mit Nachdruck ihre nur durch den Gang der Geschichte legitimierbaren Privilegien verteidigt und auf der anderen Seite eine geistige Bewegung, die alles, insbesondere auch das historisch gewordene einer scharfen Kritik unterzieht und an den Maßstäben der Rationalität misst. Es lässt sich in der Tat nicht leugnen, dass die Aufklärung und ihre Prinzipien im 18. Jahrhundert den Adel schrittweise in die Defensive drängen.

Ein neues Leistungsdenken sah Ämter und Offizierspatente nicht mehr in erster Linie als Fundament eines sozialen Status, der Ehre und Würde verlieh, aber auch im Idealfall nur denen verliehen werden sollte, die diese Eigenschaften bereits in irgend einer Form mitbrachten. Vielmehr zählten nun exakt oder scheinbar exakt messbare Fähigkeiten, die gegebenenfalls durch Prüfungen nachweisbar sein mussten. Überdies stellte die Expansion staatlicher Kompetenzen die Position des Adels auch auf der lokalen Ebenen in Frage.

Dem Adel erwächst Konkurrenz durch die bürgerlichen Eliten

Der traditionelle Anspruch des Adels auf Autorität und Status stützte sich ganz wesentlich auf seine autonomen Herrschaftsrechte. Diese aber wurden im Laufe des 18. Jahrhunderts zunehmend durch die staatliche Bürokratie ausgehöhlt. Nicht nur ein Steuersystem, das nun tendenziell mit seinen Forderungen auch vor den Privilegierten nicht mehr Halt machte, sondern die immer stärkere Präsenz des staatlich kontrollierten Militärapparates auf dem flachen Land bedeutete hier einen wesentlichen Einschnitt für den Adel.

Im eigentlichen Zeitalter der Aufklärung sah sich der Adel zudem der Konkurrenz durch bürgerliche Eliten ausgesetzt, die zwar oft genug durchaus noch nach Adelstiteln strebten, aber nicht mehr ohne Weiteres bereit waren, wie in der Vergangenheit die sozialen und kulturellen Normen des zweiten Standes ungefragt zu übernehmen. Zu einem weiteren drängenden Problem wurde damals die weitgehende Steuerfreiheit des Adels, da der Finanzbedarf der großen europäischen Staaten im 18. Jahrhundert exponentiell wuchs. Quelle: „Handbuch Europäisch Aufklärung“ von Heinz Thoma (Hrsg.)

Von Hans Klumbies