Der Buddhismus beschäftigt sich viel mit dem Glück

Die meisten Religionen und Philosophien vertreten ein ganz anderes Verständnis von Glück als der liberale Humanismus. In diesem Zusammenhang ist für Yuval Noah Harari der Buddhismus besonders interessant. Denn der Buddhismus räumt der Frage nach dem Glück eine vermutlich größere Bedeutung ein als jede andere Religion. Yuval Noah Harari erklärt: „Seit zweieinhalb Jahrtausenden beschäftigen sich Buddhisten systematisch mit dem Wesen und den Ursachen des menschlichen Glücks, weshalb sich Wissenschaftler heute besonders für ihre Philosophie und Meditationspraxis interessieren.“ Der Buddhismus geht davon aus, dass Glück weder eine subjektive Empfindung ist noch einem Lebenssinn abhängt. Glück bedeutet im Gegenteil, keinen persönlichen Gefühlen und keinen Illusionen mehr nachzujagen. Nach Ansicht des Buddhismus verwechseln die meisten Menschen Glück mit angenehmen Empfindungen und Leid mit unangenehmen Empfindungen. Yuval Noah Harari ist Professor für Geschichte an der Hebrew University of Jerusalem.

Subjektive Empfindungen sind flüchtige Schwingungen

Daher sehnen sich die Buddhisten nach angenehmen Gefühlen und wollen unangenehme Empfindungen vermeiden. Doch darin irren sie sich laut Yuval Noah Harari gründlich, denn in Wahrheit haben seiner Meinung nach die subjektiven Empfindungen eines Menschen kein Wesen und keine Bedeutung: „Es handelt sich um flüchtige Schwingungen, die sich ununterbrochen ändern, wie die Wellen des Meeres. Wenn wir diesen Wellen zu große Bedeutung beimessen, ergreifen sie Besitz von uns und machen uns unruhig und unzufrieden.“

Fast alle Menschen leiden, wenn sie von einem unangenehmen Gefühl erfasst werden. Uns selbst unter dem Einfluss angenehmer Gefühle sind viele Menschen unzufrieden, weil sie wollen, dass das angenehme Gefühl stärker wird, oder weil sie Angst haben, dass es vergehen könnte. Yuval Noah Harari erläutert: „Die Jagd nach subjektiven Empfindungen ist so ermüdend wie sinnlos und liefert uns nur einem erbarmungslosen Tyrannen aus. Die Ursache des Leids ist nicht die subjektive Empfindung von Schmerz, Trauer oder Sinnlosigkeit.“

Die Jagd nach Empfindungen führt zu Unzufriedenheit

Die Quelle des Leids ist genau diese Jagd nach beliebigen subjektiven Empfindungen, denn sie versetzt die Menschen in einen dauerhaften Zustand der Anspannung, Verwirrung und Unzufriedenheit. Daher kann man das Leid nur überwinden, wenn man versteht, dass es sich bei den subjektiven Empfindungen lediglich um flüchtige Schwingungen handelt, und wenn man die Jagd nach diesen individuellen Gefühlen beendet. Dann verursacht Schmerz kein Leid mehr, und Freude stört den inneren Frieden nicht.

Dann ist der Geist ruhig, klar und zufrieden. Yuval Noah Harari fügt hinzu: „Der daraus resultierende Gleichmut ist so profund, dass die Menschen, die ihr Leben lang wie besessen hinter angenehmen Empfindungen herlaufen, nicht einmal eine annähernde Vorstellung davon bekommen können. Sie erinnern an einen Mann, der sein Leben lang am Meeresufer steht und verzweifelt versucht, die guten Wellen fest- und die schlechten festzuhalten.“ Dabei verliert er fast den Verstand. Irgendwann setzt er sich hin und schaut einfach zu, wie die Wellen kommen und gehen. Welcher Frieden! Quelle: „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ von Yuval Noah Harari

Von Hans Klumbies