Wladimir Putin ist in Russland immer noch relativ populär

Die Regierung Russlands geht immer rigoroser gegen die Opposition und Zivilgesellschaft vor. Dies geschieht laut Lew Gudkow vor allem deshalb, weil das Regime von Wladimir Putin schwächer geworden ist. Lew Gudkow erklärt warum die Unzufriedenheit in Russland aus den verschiedensten Gründen wächst: „In den Millionenstädten fordert die neue Mittelklasse Dinge wie unabhängige Gerichte, Pressefreiheit und freie Wahlen.“ Auf der anderen Seite existieren allerdings Überreste des Sozialismus, wo die alte Industrie zuhause ist. Dort sind die Menschen Anhänger der Staatsmacht, weil sie ohne Unterstützung des Staates nicht überleben können. Dort fordern die Leute sogar mehr Sozialismus. Russland driftet laut Lew Gudkow auseinander: „Die Provinz will zurück in die Sowjetzeit, die Bevölkerung in den Großstädten will Reformen.“ Lew Gudkow ist Direktor des Moskauer Meinungsforschungsinstituts „Lewada-Zentrum“.

Russland macht für seine Probleme das Ausland verantwortlich

Das Image der Regierung leidet laut Lew Gudkow durch die ständigen Skandale, in denen Politiker in Korruptionsaffären verwickelt sind. Das russische Regime fühlt diese Schwäche, macht aber das Ausland für die Probleme in Russland verantwortlich. Lew Gudkow erklärt: „Es gibt in der Führung die Paranoia, dass Nichtregierungsorganisationen eine Revolution entfachen könnten wie seinerzeit in der Ukraine oder in Georgien.“ Deswegen hat die Regierung Ende 2011 repressive Gesetze erlassen, wie beispielsweise das Gesetz über „ausländische Agenten“.

Mit dem Begriff „ausländischer Agent“ verbinden die meisten Russen Spionage, Sabotage oder im schlimmsten Fall sogar Terrorismus. Trotz aller Probleme in Russland ist Wladimir Putin immer noch relativ populär. Lew Gudkow nennt einen Grund dafür: „Denn die Propaganda ist darauf ausgerichtet, ihn alternativlos erscheinen zu lassen.“ Wladimir Putin kam an die Macht, als die Krise der 90er Jahre zu Ende ging. Das Wirtschaftswachstum beschleunigte sich, nicht zuletzt durch den hohen Preis für russisches Öl.

Das russische System stützt sich auf die Mehrheit einer gleichgültigen Bevölkerung

Die positive Entwicklung der Wirtschaft hat Wladimir Putin die Aura des Retters gegeben. Dieses Image hat laut Lew Gudkow bis zur Krise des Jahres 2008 gehalten. Jetzt versucht die Regierung die angebliche Alternativlosigkeit zu bewahren. Andere Politiker, die möglicherweise die Führung in Russland übernehmen könnten, werden klein gehalten. Lew Gudkow erläutert: „Man lässt sie nicht zu Wahlen zu oder nicht ins Fernsehen, das die wichtigste Informationsquelle für die große Mehrheit ist.“

Trotz dieser restriktiven Maßnahmen ist die Zahl der überzeugen Anhänger von Wladimir Putin auf etwa 25 Prozent gesunken. Die Zahl der Gegner des russischen Präsidenten ist laut Lew Gudkow etwa gleich groß. Nach den jüngsten Umfragen seines Meinungsforschungsinstituts „Lewada-Zentrum“ wollen 55 Prozent der Russen nicht, dass Wladimir Putin bei den nächsten Wahlen noch einmal kandidiert. Aber die Mehrheit der Bevölkerung interessiert das nicht. Lew Gudkow sagt: „Darauf stützt sich das System“.

Von Hans Klumbies