In vielen Teilen der Welt ist ein Rüstungswettlauf im Gange

Die ungewöhnlich große Fülle an gefährlichen und blutigen Krisen und Konflikten wird aktuell gekrönt durch eine fortlaufende nukleare Bedrohung, die zu einer solchen Normalität geworden ist, dass sie kaum noch im Zentrum der politischen Aufmerksamkeit steht. Wolfgang Ischinger weist darauf hin, dass die Gefahr einer Konfrontation der Großmächte und damit auch einer nuklearen Eskalation keineswegs gebannt ist. Während in Deutschland aufgeregt darüber diskutiert wird, ob man das Budget für die Bundeswehr überhaupt erhöhen sollte, ist in vielen Teilen der Welt bereits längst ein Rüstungswettlauf im Gange: Chinas zunehmend selbstbewusstes Auftreten schlägt sich immer deutlicher auch in seinem militärischen Geltungsanspruch nieder. Peking rüstet auf. Wolfgang Ischinger ist Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz und einer der renommiertesten deutschen Experten für Außen- und Sicherheitspolitik.

Es werden völlig neue Waffensysteme entwickelt

Auch in Russland und in den USA gibt es neue Initiativen der Aufrüstung, insbesondere im Bereich der Nuklearwaffen. So werden die alten Atombomben modernisiert, aber auch völlig neue Waffensysteme entwickelt. Gleichzeitig kam es zwischen russischen Militärmaschinen und der NATO in den letzten Jahren immer wieder zu Beinahe-Zusammenstößen, die in der derzeitigen angespannten Lage leicht außer Kontrolle geraten könnten. Zudem haben sich Nordkorea und die USA im letzten Jahr gegenseitig mit dem Einsatz von Nuklearwaffen gedroht.

Und im Nahen Osten sind hochgerüstete rivalisierende Mächte – zum Beispiel Saudi-Arabien und Iran, aber auch Israel und Iran – immer näher an den Abgrund eines Konflikts gerückt. Die USA und Russland halten immer noch insgesamt 13.000 Atomsprengköpfe vor, um gegebenenfalls auf einen feindlichen Angriff reagieren zu können. Die atomare Bedrohung ist also sehr real, und etwa 1.800 atomare Sprengköpfe stehen weltweit mit sehr kurzer Zündschnur Tag und Nacht in Höchstbereitschaft.

Ein großer Krieg ist weiterhin eher unwahrscheinlich

Wolfgang Ischinger warnt: „Die Gefahr eines zwischenstaatlichen Krieges zwischen Groß- und Mittelmächten ist jedenfalls in letzter Zeit wieder klar gestiegen.“ Das soll keine Panikmache sein: Ein großer Krieg ist weiterhin eher unwahrscheinlich. Aber das Risiko ist eben leider doch deutlich größer als noch vor einigen Jahren. Die Lage ist heute so angespannt und gefährlich wie noch nie seit dem Ende des Kalten Krieges. Es ist also höchste Zeit, dass die politisch Verantwortlichen in aller Welt diese Gefahr ernst nehmen und entsprechend handeln.

Nicht nur Krieg und Gewalt spielen offenbar wieder eine größere Rolle. Auch ein neuer Wettbewerb der Systeme scheint sich anzubahnen. Die liberale Demokratie und das Prinzip offener Märkte sind – anders als Anfang der 1990er-Jahre – heute nicht mehr die einzig vorstellbaren Modelle legitimer politischer und wirtschaftlicher Ordnung. Freedom House, eine amerikanische Nichtregierungsorganisation, berichtet: „Die Demokratie sah sich 2017 ihrer schwerwiegendsten Krise seit Jahrzehnten gegenüber, da ihre grundlegenden Elemente – eingenommen Garantien freier und fairer Wahlen, Minderheitenrechte, Pressefreiheit und Rechtsstaatlichkeit – überall auf der Welt angegriffen wurden. Quelle: „Welt in Gefahr“ von Wolfgang Ischinger

Von Hans Klumbies

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