Platon denkt als einer der ersten über die Erkenntnis nach

Platon, der laut Wilhelm Berger als erster Erkenntnistheoretiker gelten kann, ist mit dem Zerfall seiner Welt konfrontiert. Die griechische „polis“ gerät immer mehr in eine Krise, die nicht nur politische, sondern auch ökonomischen Ursachen hat. Ab dem 7. Jahrhundert vor Christus beginnt sich die Geldwirtschaft durchzusetzen. Wilhelm Berger erklärt: „Das hat tiefgreifende Auswirkungen auf der Ebene des Sozialen und gefährdet den Zusammenhalt, der für das Überleben der „polis“ notwendig ist.“ Ungleichheit treibt die Bürger auseinander. Man weiß nicht mehr, was richtig und falsch, gut und böse ist. So hat Platons Nachdenken über das Erkennen ein ethisches Grundmotiv.“ Auch der englische Philosoph Francis Bacon (1561 – 1626) denkt mitten in einer Krise des Übergangs in die Neuzeit über die Erkenntnis nach. Professor Wilhelm Berger lehrt am Institut für Technik- und Wissenschaftsforschung an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

Francis Bacon kämpft gegen den Aberglauben

Francis Bacon bringt in einer Zeit der Umbrüche und der Gemetzel seine „scientia nova“, die neue Wissenschaft gegen Vorurteile und Aberglaube in Stellung. Francis Bacon will das Erkennen von dem reinigen, was er „Idole“ nennt, zum Beispiel „Vorurteile der Gattung“, die den Menschen als Maßstab aller Dinge nehmen. Heute sieht es für Wilhelm Berger so aus: „Nach allen Krisen des 20. Jahrhunderts, mitten in der Erfahrung des Relativismus und der Gleichgültigkeit, haben sich die Differenzen vervielfältigt.“

Die Tätigkeit des Erkennens darf sich nicht in ein „schwaches Denken“ zurückziehen, das der italienische Philosoph Gianni Vattimo in seinem Buch „Das Ende der Moderne“ (1990) propagiert hat. Ganz im Gegenteil muss sie nach den Grundlagen einer Erkenntnis suchen, nach einer Differenz fragen, die eine geregelte Reflexion des Geschehens erlaubt und in der gleichzeitig das Ereignis nicht verleugnet wird. Ein solches Fragen kann nur am konkreten Geschehen ansetzen. Wer mit einem Geschehen konfrontiert ist, wenn im Ereignis der sichere Boden abhandenkommt, wird zuallererst versuchen, sich der Tatsachen zu versichern.

Der Denkweg vom Einzelnen zum Allgemeinen heißt Induktion

John Locke (1632 – 1704), der erste große Protagonist des empirischen Denkens, schreibt in seinem Werk „Versuch über den menschlichen Verstand“ folgendes: „Niemand kann im Ernst so skeptisch sein, dass er über die Existenz der Dinge, die er sieht und fühlt, ungewiss wäre.“ Für den österreichischen Philosophen Ludwig Wittgenstein ist eine Tatsache das Bestehen von Sachverhalten. Und der Sachverhalt ist eine Verbindung von Gegenständen. Ludwig Wittgenstein sagt: „Die Welt ist alles, was der Fall ist“, und „Die Welt ist die Gesamtheit der Tatsachen, nicht der Dinge.“ An diese Tatsachen haftet dann die logische Sprache ihre Sätze gleichsam an.

Wilhelm Berger erläutert: „Mit dem Begriff der Tatsache ist der Ausgangspunkt einer Tätigkeit gesetzt, die seit Aristoteles „Induktion“ heißt, ein Denkweg vom Einzelnen zum Allgemeinen, aus dem Geschehen in einen Distanz hinein.“ Bei John Locke setzt die Erkenntnis an der sinnlichen Wahrnehmung der Dinge an, bildet aus ihrer Erfahrung einfache Ideen, differenziert und vergleicht und erkennt schließlich die Übereinstimmung der Ideen. Erkenntnis wird zu einer Tätigkeit, in der ein aktiver Verstand die Wahrnehmungen verarbeitet. Quelle: „Was ist Philosophieren“ von Wilhelm Berger

Von Hans Klumbies