Die Kultur ist eine Form der Natur

Die Geschichte, die Gesellschaft und die Kultur des Menschen steuert wesentliche Einsichten in das bei, was man die Natur des Menschen nennt. Man braucht nur die Evolution des Menschen ins Auge zu fassen, um zu sehen, dass er selbst nur als integraler Teil der Natur zu verstehen ist. Volker Gerhard erläutert: „So setzt die Geschichte der Menschheit die Naturgeschichte des sich entfaltenden Lebens ein einer durchaus spezifischen Weise fort. Mit Blick auf die vergleichsweise rasche Entwicklung des homo faber und des homo sapiens kann man von einer bemerkenswerten Beschleunigung eines Evolutionsvorgangs sprechen.“ Selbst wenn er in biologischer Hinsicht mit Effekten der Verlangsamung verbunden ist. Volker Gerhardt war bis zu seiner Emeritierung 2014 Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin.

Der Mensch bleibt aufs Engste mit der Natur verbunden

Beim Menschen nimmt die biologische Innovationsrate durch Mutationseffekte in der molekularen Übertragung von Erbinformationen ab. Dies wird aber durch die Effekte des Wissens und des individuellen Lernens mehr als bloß kompensiert. Hier also scheint es ein Zusammenspiel der genetisch basierten und der kulturellen Evolution zu geben. Das würde bestätigen, was eigentlich keiner weiteren Belege mehr bedarf. Nämlich dass sich das menschliche Leben auf den fortgeschrittenen Ebenen seiner Entwicklung nicht von der Natur löst. Sondern es bleibt weiterhin auf das Engste mit ihr verbunden.

Auch die von Ökonomen und Soziologen scharf von der Natur abgegrenzte Gesellschaft ist und bleibt eine Naturerscheinung. Im Vergleich zu pflanzlichen und tierischen Gesellschaften zeichnet sich die menschliche Gesellschaft durch zahllose Besonderheiten aus. Volker Gerhardt stellt fest: „Gleichwohl ist sie in ihrer Entstehung, ihrem Wandel, ihrer Erhaltung, ja selbst noch in ihrem möglichen Ende nicht von der Natur zu trennen.“ Die Gesellschaft bleibt in ihrer Stofflichkeit an die physische Natur gebunden.

Die menschliche Gesellschaft bleibt mit der Natur vereint

Die menschliche Gesellschaft bleibt in allem, was ihre Erhaltung und Entfaltung, mit der Natur vereint. Die Gesellschaft kategorisch von der Natur abzugrenzen, sie gar in Opposition zur Natur zu begreifen, ist ein schweres Missverständnis. Denn die Lehre vom Menschen ist auf Einsichten angewiesen, die zwischen Natur, Geschichte und Gesellschaft vermittelt. Volker Gerhard spricht in diesem Sinne von der menschlichen Kultur als einer Form der Natur.

Damit soll deutlich werden, dass die Natur, die unabhängig vom Menschen besteht und die ihn gewiss auch überdauert, im Menschen und in seinem Umfeld den Charakter der Kultur annimmt. Sie schafft damit aller erst die Voraussetzungen dafür, dass er als Mensch bestehen kann. Ein Vorzug dieser Formel ist, dass sie mögliche andere Lebensformen nicht abwertet. Der Mensch aber ist in derart exzeptioneller Weise ein sich erst in den von ihm geschaffenen Kulturen entwickeltes Wesen. Dieses muss man gleich in seiner Substanz als kulturelles Wesen bezeichnen. Quelle: „Humanität“ von Volker Gerhardt

Von Hans Klumbies