Marktmacht manifestiert sich noch in anderer Weise als nur in höheren Preisen und Gewinnen. Zum Beispiel darin, wie Unternehmen ihre Kunden behandeln. Joseph Stiglitz kritisiert: „So zwingen zum Beispiel viele ihre Kunden dazu, im Fall von Streitigkeiten nicht auf das öffentliche Rechtssystem zurückzugreifen.“ Das sollte eigentlich das gute Recht jedes Bürgers in einer demokratischen Gesellschaft sein. Stattdessen schalten die Firmen geheimniskrämerischen Schiedsgerichte ein, die zugunsten der Unternehmen voreingenommen sind. Die meisten Menschen haben schon einmal unabsichtlich durch ihre Unterschrift auf ihre Rechte verzichtet. Beispielsweise wenn sie ein Bankkonto eröffnet, einen Internetanschluss beantragt oder einen Telefonanbieter ausgewählt haben, da diese ihren Kunden praktisch ähnliche Bestimmungen auferlegen. Joseph Stiglitz war Professor für Volkswirtschaft in Yale, Princeton, Oxford und Stanford. Er wurde 2001 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet.
Preisdiskriminierung ist in der digitalen Ökonomie üblich
Der Vorteil einer Markwirtschaft mit funktionierendem Wettbewerb sollte darin bestehen, dass Verbraucher wählen können. Doch tatsächlich gibt es in diesen und vielen anderen Bereichen keine echte Wahl. Es gibt noch weiter Manifestationen von – unterschiedlich ausgeprägter – Marktmacht. In einem Wettbewerbsmarkt kann ein Unternehmen von verschiedenen Kunden für das gleiche Produkt keine unterschiedlichen Preise verlangen. Denn der Preis wird von den Kosten der Produktion, nicht von dem Wert, dem der Kunde dem Gut beimisst, bestimmt.
Dennoch ist eine solche Preisdiskriminierung in der digitalen Ökonomie üblich. Es bestehen für Joseph Stiglitz kaum Zweifel daran, dass es heutzutage mehr Marktmacht gibt als früher. Die Frage lautet: Warum? Warren Buffet erklärt das so: „Der beste Weg, um nachhaltig hohe Erträge zu erwirtschaften, besteht für Unternehmen darin, sich mit „Burggräben“ zu umgeben.“ So erzeugt man Markteintrittsschranken. Diese verhindern, dass Gewinne unter dem Wettbewerbsdruck, den neu in den Markt eintretende Unternehmen erzeugen würden, dahinschwinden.
Es sollten keine übermäßigen Renditen anfallen
In den USA gibt es neuere „Innovationen“, die extrem profitabel sind. Dazu zählen diejenigen, welche die Fähigkeit verbessern, diese Gräben zu schaffen und verbreitern und aus der sich daraus ergebenen Marktmacht Profit zu schlagen. Joseph Stiglitz weiß: „Nach dem wirtschaftswissenschaftlichen Standardmodell stellt die Entwicklung eines besseren Produkts nicht sicher, dass ein Unternehmen damit nachhaltig hohe Erträge erwirtschaften kann.“
Andere Firmen treten vielleicht ebenfalls in den Markt ein und lassen durch den von ihnen ausgehenden Wettbewerbsdruck die Gewinne dahinschmelzen. Wenn sich der Staub legt, sollten Unternehmen lediglich die normale Rendite auf ihr eingesetztes Kapital erhalten. Also die erforderliche Rendite, um sie für den Einsatz ihres Geldes und das getragene Risiko in angemessener Weise zu entschädigen. Es sollten keine übermäßigen Renditen anfallen. Es ist nicht weiter verwunderlich, dass das Unternehmen nicht gefällt. Deshalb ist es für innovative Unternehmen aus strategischen Gründen so wichtig, Schranken für den Markteintritt zu schaffen. Quelle: „Der Preis des Profits“ von Joseph Stiglitz
Von Hans Klumbies