Viktor Frankl definiert den Menschen als ein Wesen, das letztlich und eigentlich auf der Suche nach Sinn ist. Der Mensch ist seiner Meinung nach schon immer auf etwas ausgerichtet, das nicht wieder er selbst ist, sei es eben ein Sinn, den er erfüllt, oder auf einen anderen Menschen, der ihm begegnet. Die Essenz der menschlichen Existenz ist die Transzendenz ihrer selbst. Für Viktor Frankl strebt der Mensch nicht das Glücklichsein an sich an, sondern den Grund zum Glücklichsein. Sobald dieser gefunden ist, stellt sich das Glück von selber ein. Frankl ist fest davon überzeugt, dass der Mensch nicht zuerst und zuletzt vom Willen zur Macht oder zur Lust durchdrungen ist, sondern vom Willen zum Sinn.
Das Lustprinzip und das Geltungsstreben sind neurotische Motivationen
Der Mensch ist darauf aus, Sinn zu finden und zu erfüllen, aber auch anderem menschlichem Sein, dem Du zu begegnen und zu lieben. Erfüllung und Begegnung gibt dem Menschen einen Grund zum Glück und zur Lust. Menschen, die in der Erfüllung von Sinn gescheitert sind, beziehungsweise überhaupt keinen finden, kompensiert diese Lehre durch das Primat der Selbstverwirklichung. Viktor Frankl geht davon aus, dass es zur Ausbildung des Willens zur Lust oder Macht nur dann kommt, wenn der Wille zum Sinn keine Erfüllung findet.
Sowohl das Lustprinzip als auch das Geltungsstreben sind nichts weniger als neurotische Motivationen. Viktor Frankl stellt die These auf, dass die Menschen zu seiner Zeit in einem existentiellen Vakuum leben, die sich vor allem durch Langeweile auszeichnet. Viele Patienten leiden an einem Gefühl der inneren Leere, einer abgründigen Sinnlosigkeit ihres Daseins. Viktor Frankl führt diesen Zustand vor allem auf den Instinktverlust und auf das Verschwinden der Traditionen zurück.
Die noogene Neurose
Er bezeichnet diese Krankheit, die nicht selten infolge dieses tiefen Gefühls der Sinnlosigkeit entsteht als „noogene Neurose“, bei der es sich eigentlich weniger um eine seelische Krankheit, sondern vielmehr um geistige Not handelt. Sinn kann nicht gegeben werden, da sich in einem solchen Fall, sofort die moralische Komponente in den Vordergrund drängen würde.
Sinn muss gefunden werden, kann aber nicht erzeugt werden. Was sich nur erzeugen lässt, ist entweder ein subjektiver Sinn, ein bloßes Sinngefühl oder Unsinn. Der Mensch der keinen Sinn in seinem Leben finden kann, kann diesen auf der Flucht vor der Sinnlosigkeit nicht erfinden. Sinn muss aber nicht nur, sondern kann nach Viktor Frankl auch gefunden werden.
Viktor Frankl erkennt selbst im Leiden oder Scheitern einen Sinn
Auf der Suche nach dem Sinn wird der Mensch von seinem Gewissen geleitet, das die Fähigkeit besitzt, den einmaligen und einzigartigen Sinn, der in jeder Situation verborgen ist, aufzuspüren. Da sein Gewissen den Menschen aber auch in die Irre führen kann, weiß der Mensch bis zu seinem letzten Atemzug nicht, ob er den Sinn seines Lebens erfüllt hat oder einer Illusion nachgejagt ist.
Frankl stellt die Forderung auf, dass der Mensch zu entscheiden lernen muss, was wesentlich ist, was Sinn hat und was sich verantworten lässt. Obwohl selbst ein Psychiater oder ein Psychotherapeut ihren Patienten nicht sagen können was der Sinn ist, so können sie wenigstens darauf bestehen, dass das Leben an sich einen Sinn hat.
Selbst im Leiden oder Scheitern kann ein Sinn gefunden werden, wenn der Mensch davon Zeugnis ablegt. Sogar eine hoffnungslose Situation hat unter Umständen ihren Sinn. Worauf es dabei ankommt, ist die Haltung und Einstellung, mit der ein Mensch seinem unabänderlichen und unvermeidlichen Schicksal begegnet.
Von Hans Klumbies