Die Philosophie der Stoiker ist aktueller denn je

Die neue Sonderausgabe des Philosophie Magazins handelt von den Stoikern und ihren Wegen zur Gelassenheit. Bis heute geht von den Stoikern eine starke Faszination aus. Chefredakteurin Catherine Newmark meint: „Vielleicht auch, weil sie mehr als sonst in der westlichen Philosophie üblich über konkrete Techniken der Einübung von guten Gewohnheiten und über Lebenskunst nachgedacht haben.“ Zenon von Kiton gründete die Stoische Schule. Die sogenannte „Alte Stoa“ bestand etwa von 300 – 150 v. Chr. Die stoische Philosophie übt auch nach ihrer Hochphase auf zahlreiche Denker eine beträchtliche Wirkung aus. Angefangen beim Kirchenvater Augustinus über den Neustoizismus des 15. und 16. Jahrhunderts zum Existenzialismus des 20. Jahrhunderts. Der deutsche Philosoph Wilhelm Schmid erklärt im Gespräch mit dem Philosophie Magazin, was die Menschen heute von den Stoikern lernen können. Und warum es wichtig ist, die stoische Philosophie der heutigen Lebenswelt anzupassen.

Die Stoiker entwickeln eine Philosophie der Lebenskunst

Wilhelm Schmid sagt: „Die Stoiker haben die einzige komplett ausgearbeitete Philosophie der Lebenskunst präsentiert, die es überhaupt jemals gab. Natürlich in Bezug auf die Antike.“ Wilhelm Schmid interessiert sich sehr für Seneca. Die menschliche Natur ist für Seneca das Denkvermögen. Also ist für ihn ein glückliches Leben ein Leben auf der Grundlage des Denkvermögens. Für Wilhelm Schmid ist es ein Fehler anzunehmen, dass ein Mensch geradlinig durchs Leben geht: „Wir sind eher wie Betrunkene und fallen mal links, mal rechts in den Straßengraben.“

Seine Emotionen unter Kontrolle bringen, ja sogar möglichst ausmerzen und so weit es geht eine rationale Haltung einnehmen. Das sind Forderungen, die im Zentrum der stoischen Tugendethik stehen. Dies ist ganz im Sinne individueller Charakterbildung und der Arbeit am Selbst. Für die Philosophin Marion Bourbon bildet sich die persönliche Identität eines Menschen durch seine Entscheidungen: „Voraussetzung ist, sich von trügerischen Vorstellungen und falschen Bindungen zu befreien, die unsere wahre Natur verschleiern.“

In der natürlichen Welt gibt es keine völlige Sicherheit

Seneca vertritt die Auffassung, dass ein weiser Mensch schwierige Lebensumstände aushalten kann. Diese wird er allerdings nicht ausdrücklich suchen. Der politische Philosoph Isaiah Berlin stellt die Frage, ob die stoische Auffassung von Autonomie als innerer Tugend politisches Engagement verhindert. Dabei macht er klar: „Eine so verstandene Freiheit kommt dem Tod näher als dem Leben. Und ist ohnehin nicht erreichbar.“ Solange man in der natürlichen Welt existiert, kann man sich seiner Meinung nach niemals in völliger Sicherheit wiegen. Völlige Freiheit in diesem Sinne verschafft nur der Tod.

Für viele bietet die Philosophie der Stoa einen Rückzugsort vor den Zumutungen der äußeren Welt. Ja sie bietet sogar eine Anleitung zum Bau einer eigenen Festung. Dennoch verlangt sie von jedem Einzelnen, die Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen, Herr des eigenen Schicksals zu sein, mag das äußerlich noch so widerwärtig erscheinen. Auf der anderen Seite kann sie den Menschen sogar dabei helfen, ihre Umwelt zu gestalten. Für den Schweizer Philosophen Andreas Urs Sommer liegt ihre Stärke gerade in ihrer Vielfältigkeit. Selbstverantwortung heißt für ihn daher immer auch Weltverantwortung.

Von Hans Klumbies