Universalgelehrte verdienen Hochachtung

In seinem neuen Buch „Giganten der Gelehrsamkeit“ behandelt Peter Burke die Universalgelehrten mit der Hochachtung und Anerkennung, die sie verdienen. Einen Universalgelehrten kann man als eine Person definieren, der sich für viele Themen interessiert und viel über sie erfahren will. Peter Burke dagegen konzentriert sich auf akademisches Wissen, das man früher als Gelehrsamkeit bezeichnete. Im Vordergrund stehen hier Akademiker mit Interessen, die „enzyklopädisch“ im ursprünglichen Wortsinn waren. „Giganten der Gelehrsamkeit“ konzentriert sich auf Europa und Nord- und Südamerika in der Zeit vom 15. bis zum 20. Jahrhungert. Peter Burke erinnert aber auch daran, dass der moderne Westen keineswegs die einzige Weltreligion ist, in der Universalgelehrte gediehen. Peter Burke lehrte 16 Jahre an der School of European Studies der University of Sussex. Im Jahr 1978 wechselte er als Professor für Kulturgeschichte nach Cambridge ans Emmanuel College.

Vitorino da Feltre preist die universelle Gelehrsamkeit

Das Ideal der Vielseitigkeit beziehungsweise des „universalen Menschen“ wurde schon in der Renaissance selbst aufgestellt. Einer der bedeutenden Lehrer des italienischen Quattrocento, Vitorino da Feltre, pflegte jene universelle Gelehrsamkeit zu preisen, welche die Griechen „encyclopaedia“ nennen. Der vollkommene Mensch, sagte er, solle zum Nutzen seiner Kollegen in der Lage sein, Naturphilosophie, Ethik, Astronomie, Geometrie, Harmonie, Arithmetik und Vermessungskunde zu erörtern.

Das berühmteste Beispiel des „Renaissance-Menschen“ ist ohne Zweifel Leonardo da Vinci. Wie der Künstler Giorgio Vasari in seiner Leonardo-Biographie bemerkte: „Wohin er den Geist auch lenkte, verhalft ihm seine Begabung, die schwierigsten Dinge mit Leichtigkeit zur Vollendung zu bringen.“ Leonardo da Vinci arbeitete nach der Prämisse, dass die scheinbaren Unterschiede der Natur Symptome einer inneren Einheit sind. Auf diese Weise verbinden unsichtbare Fäden die Fragmente, die im Ozean seiner Notizbücher verstreut sind.

Im 17. Jahrhundert gab es „Monster der Gelehrsamkeit“

Das 17. Jahrhundert war das goldene Zeitalter der Universalgelehrten. Hermann Boerhaave nannte sie „Monster der Gelehrsamkeit“. Damit bezeichnete er Personen, die sämtliche Disziplinen beherrschten und viele Bände produzierten. Das ist umso beeindruckender, wenn man bedenkt, dass sie ihre Gelehrsamkeit durch die Lektüre bei Kerzenlicht erwarben und ihre Bücher mit dem Gänsekiel verfassten. Zu den Monstern der Gelehrsamkeit zählt Peter Burke zum Beispiel Juan Caramuel, Olof Rudbeck den Älteren, Athanasius Kircher, Pierre Bayle und Gottfried Wilhelm Leibniz.

Neue Herausforderungen verlangen neue Antworten. Deshalb setzt Peter Burke, da er Optimist ist, seine Hoffnungen auf die digitale Generation. Seiner Meinung nach wäre es verfrüht, ein Klagelied auf das Aussterben der Universalgelehrten anzustimmen. Und dazu besteht auf gar keine Veranlassung. Peter Burke weiß: „Schließlich brauchen wir in der intellektuellen Arbeitsteilung, wie sie gegenwärtig herrscht, noch immer Generalisten, also Individuen, die erkennen können, was Isaac Barrow im 17. Jahrhundert >die Verbindung der Dinge untereinander und die Bedingtheit von Gedanken< nannte.“

Giganten der Gelehrsamkeit
Die Geschichte der Universalgenies
Peter Burke
Verlag: Wagenbach
Gebundene Ausgabe: 334 Seiten, Auflage: 2021
ISBN: 978-3-8031-3702-9, 29,00 Euro

Von Hans Klumbies