Der Philosoph Professor Peter Sloterdijk nähert sich dem Begriff der Krise über ihre medizinische Bedeutung, in der sie als Entscheidungskampf eines Organismus definiert wird, in dem dieser entweder überlebt oder stirbt. Daraus folgt für ihn, dass eine Krisensituation, in der sich eine Gesellschaft befindet, gar keine Krise ist. Denn das Ergebnis einer Krise kann nur eine weitere Krise sein. Das Beste, was der Mensch erreichen kann, ist eine Hinauszögerung der Endkrise oder die Verhinderung der Endkrise durch eine permanente Krise.
Peter Sloterdijk: „Die Zentralbanken sind an der Finanzkrise schuld“
In der heutigen Ökonomie stellt Peter Sloterdijk einen chronischen Defekt fest. Die moderne Gesellschaft ist für ihn in einem Stadium angelangt, in der es keine Krise mehr gibt, die zu ihrer Genesung führen könnte. Das Missverhältnis von virtuellen Finanzmärkten zu der realen Wirtschaft hat sich für den Philosophen zu einer maßlosen Hybris ausgewachsen.
Das letzte Jahrzehnt war von einer Frivolität bestimmt, die den Raubvogelflug der Gier über einer ungeheueren Landschaft von Gewinnen erlaubte. An erster Stelle standen enthemmte Gewinnerwartungen und haltlose Vermögenseinbildungen. Eine Finanzkrise hat für Peter Sloterdijk ihre Ursache in technischen Fehlern der Zentralbanken. Sie entstehen aus der Auseinandersetzung zwischen einem inflationistischen und einem anti-inflationistischen Kurs in der Geldpolitik.
Deutschland betreibt eine Inflationspolitik
Der Philosoph vertritt die These, dass die Schuldenakrobaten bei diesem Streit auf ganzer Linie gewonnen haben. Ganz besonders kritisiert Peter Sloterdijk, dass die US-Notenbank zum Ausgleich der Defizite die Rotationspressen anwirft und Trillionen Dollar druckt. Die heutige Wertkrise ist laut Peter Sloterdijk das Werk grauer Bürokraten, die meinen, man können dem Vertrauensverlust mit der Ausgabe von Scheingeld entgegenwirken.
Sie sind Schlafwandler, die nichts aufweckt. Mit dem Kurs, den die Bundesregierung zur Meisterung der Krise eingeschlagen hat, ist der Philosoph gar nicht einverstanden. Denn die deutsche Regierung versucht mit einer energisch verschleierten Inflationsstrategie die Turbulenzen zu meistern, die bereits eine Inflationskrise sind.
Kurzbiographie: Peter Sloterdijk
Peter Sloterdijk wurde 1947 in Karlsruhe geboren. In München studierte er Philosophie, Germanistik und Geschichte. Nach seiner Promotion schrieb er den zweibändigen Bestseller „Kritik der zynischen Vernunft“ und wurde damit zu einem der populärsten Philosophen der Gegenwart.
Mit weiteren erfolgreichen Publikationen wie der „Sphären“-Trilogie aus dem Jahr 2004, dem Buch „Im Weltinneren des Kapitals“, das ein Jahr später erschien sowie seinem Werk „Zorn und Zeit“ aus dem Jahr 2006 festigte Peter Sloterdijk seinen Ruf als Denker der kein Risiko scheut und sein Ohr immer am Puls der Zeit hat. Sein neues Buch „Du musst Dein Leben ändern. Über Anthropotechnik“ erschien im März 2009 im Suhrkamp Verlag.
Von Hans Klumbies