Die Stoiker entwickeln die Lehre von der Selbstbeherrschung

Wenn ein Mensch etwas, das nicht zu ändern ist, ohne zu murren hinnimmt, sagt man, er verhält sich „stoisch“. Das Wort geht auf die „Stoa“ zurück, eine Säulenhalle in Athen, wo sich Philosophen zu treffen pflegten, die nach ihrem Versammlungsort dann Stoiker genannt wurden. Nigel Warburton erläutert: „Einer der frühesten war Zenon von Kition (334 – 262 v. Chr.). Die frühen griechischen Stoiker befassten sich mit den Fragen, mit denen sich fast alle Philosophen befassen: Was ist die Wirklichkeit? Wie funktioniert Logik? Und wie sollen wir leben?“ Aber am bekanntesten wurden die Stoiker mit ihrer Lehre von der Selbstbeherrschung. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

Gefühle beeinträchtigen das logische Denken

Der Grundgedanke der Stoiker war, dass man sich nur um solche Dinge Gedanken machen sollte, die man ändern kann, und sich nicht mit anderen Dingen abgeben sollte. Genau wie die Skeptiker strebten sie nach einer Unerschütterlichkeit des Gemüts. Selbst angesichts tragischer Ereignisse wie zum Beispiel dem Tod eines geliebten Menschen sollte ein Stoiker gelassen bleiben. Denn die Einstellung gegenüber dem, was geschieht, unterliegt der menschlichen Kontrolle, das Ereignis selbst, zum Beispiel der Tod, hingegen nicht.

Ein weiterer Grundgedanke der Stoa war, dass die Menschen für das, was sie fühlen und denken, selbst verantwortlich sind. Die Stoiker waren der Meinung, dass man seine Reaktion auf Glück und Pech wählen kann. Gefühle überfallen die Menschen nicht einfach. Nigel Warburton erklärt: „Wir brauchen nicht niedergeschlagen zu sein, wenn wir nicht bekommen, was wir wollen. Wir müssen uns nicht ärgern, wenn uns jemand übel mitspielt. Die Stoiker glauben, unsere Gefühle würden das logische Denken und unser Urteilsvermögen beeinträchtigen.“

Die Menschen haben Macht über ihre Gedanken

Die Stoiker vertraten die Meinung, dass die Menschen ihre Gefühle nicht nur kontrollieren, sondern, wenn möglich, am besten ganz ausschalten sollten. Einer der bekanntesten Stoiker der späteren Zeit war Epiktet (55 – 135 n. Chr.). Er erklärte, der Geist könne selbst dann frei bleiben, wenn der Körper versklavt sei. In seiner Lehre gab er praktische Ratschläge dazu, wie man mit Schmerz und Leiden umgeht. Er sagt im Grunde: Die Menschen haben Macht über ihre Gedanken. Zwei bedeutende Schriftsteller, die zur Verbreitung der stoischen Lehre beitrugen, waren Marcus Tullius Cicero (106 – 43 v. Chr.) und Lucius Annaeus Seneca (1. V. Chr. – 65 n. Chr.).

Cicero und Seneca verfassten Schriften über die „Kürze des Lebens“ und die Unvermeidbarkeit des Alterns. Sie erkannten, dass das Altern ein natürlicher Vorgang ist, und versuchten nicht zu ändern, was nicht zu ändern ist. Gleichzeitig betonten sie, dass man aus seiner kurzen Lebenszeit das Beste machen sollte. Laut Cicero ist das Altern unvermeidlich, aber die Menschen können entscheiden, wie sie darauf reagieren. Man sollte erkennen, dass der körperliche Verfall nicht zwangsläufig mit dem Verlust der Lebenslust verbunden ist. Quelle: „Die kürzeste Geschichte der Philosophie“ von Nigel Warburton.

Von Hans Klumbies