Auch im Traum gelten logische Gesetze

In der Erkenntnistheorie gibt es den Begriff des skeptischen Arguments. Dieses soll beweisen, dass man etwas Bestimmtes nicht wissen kann. Markus Gabriel nennt ein Beispiel: „Das berühmteste skeptische Argument ist das Traumargument, das man übrigens von Ost bis West und Nord bis Süd in vielen Kulturen finden kann.“ In Europa machte es René Descartes berühmt, der es in seine „Meditationen über die erste Philosophie“ von 1641 überzeugend entkräfte. René Descartes zeigt nämlich, dass man auch dann noch viel über die Wirklichkeit wissen kann, wenn man träumt. Denn im Traum gelten immer noch logische und mathematische Gesetze. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

René Descartes formuliert einen radikalen Zweifel an allem

Außerdem gibt es ohnehin eine nicht geträumte Wirklichkeit, wenn man träumt. Man kann nur träumen, wenn man schläft, und wenn man schläft, gibt es ja eine nicht geträumte Welt. Deswegen formuliert René Descartes einen radikalen Zweifel an allem. Dieser ist dann aber inkonsistent, weil man nicht daran zweifeln kann, dass man zweifelt, während man zweifelt. Menschen können nicht an allem zweifeln. Und deswegen haben sie keinen Grund, sich vom Traumproblem zum universalen Zweifel führen zu lassen.

Markus Gabriel stellt fest: „Die Traumhypothese besagt, dass wir zu keinem Zeitpunkt mit Gewissheit sagen können, ob wir wach sind oder träumen. Woher wissen Sie, ob dasjenige, was Sie für Ihren gestrigen Traum halten, nicht die Wirklichkeit ist? Vielleicht träumen Sie gerade, dass Sie gestern geträumt haben, während Sie sich in Wirklichkeit im Schlaf an den gestrigen Tag erinnern!“ Auf dieser Basis entwickelte man vielfältige Traumargumente. Diese sollen beweisen, dass man nicht wissen kann, ob man wach ist oder träumt.

Eine Simulation ist ein Artefakt

Diese Argumente setzen stets voraus, dass die Erscheinungen im Wachzustand von den Erscheinungen im Traumzustand nicht unterscheidbar sind. Daher könnten Menschen die Erscheinungen nicht genauer inspizieren, um festzustellen, ob sie träumen oder wach sind. Markus Gabriel erklärt: „Wenn ich mich jetzt beispielsweise kneife, könnte all dies ja auch nur geträumt sein. Es ist jedenfalls logisch möglich, dass das gesamte bewusste Leben eine Art Simulation ist, die ganz anders zustande kommt als dadurch, dass man wach ist und sich in der Wirklichkeit orientiert.

Genau genommen befinden sich Menschen tatsächlich in einer ähnlichen Lage. Sie wissen nämlich keineswegs alles über das Zustandekommen der Erscheinungen. Markus Gabriel betont: „Wie genau die Erscheinungen im Wachzustand sich einstellen, weiß heute kein Mensch. Allerdings wissen wir die Hauptsache, nämlich dass wir im Wachzustand mit etwas Wirklichem in Verbindung stehen, das nicht insgesamt simuliert ist.“ Wenn etwas simuliert ist, ist es nämlich ein Artefakt, das heißt etwas, das mit Absicht von einem Lebewesen geschaffen wurde. Quelle: „Der Sinn des Denkens“ von Markus Gabriel

Von Hans Klumbies