Die Werbung im Netz ist perfekt auf den Einzelnen abgestimmt

Die permanente digitale Kommunikation greift tief in den Gefühlshaushalt der Menschen ein. Ulrich Grober erklärt: „Wir vertrauen unser Erleben, vor allem unsere WOW-Momente, sozialen Medien an. Wir nutzen sie, sie nutzen uns. Sie bieten uns, scheinbar umsonst, eine Plattform für alle Äußerungen, die wir senden möchten.“ Umgekehrt machen sie die Menschen zum Empfänger von perfekt auf jeden Einzelnen abgestimmten Werbebotschaften. Jede Sekunde im Netz macht einen dafür empfänglich. Ja, man hat die Freiheit, sich ihren Botschaften zu verweigern. Aber das ist gar nicht so einfach. „Wir sind programmiert durch das, was unsere Zuschauer sehen wollen“, sagte Netflix-Gründer Reed Hastings. Er fügt hinzu: „Wir liefern etwas ab, was in einem Moment Hunderte Millionen Menschen gucken können.“ Den Publizisten und Buchautor Ulrich Grober beschäftigt die Verknüpfung von kulturellem Erbe und Zukunftsvisionen.

Die Daten verraten die intimsten Begehren

Ulrich Grober stellt fest: „Treibstoff der Netzkultur ist die Werbung. Die „Contents“, die Inhalte sind primär dazu da, Zugänge in unser Bewusstsein zu öffnen, um dort Data-Mining zu betreiben.“ Nichts ist so wertvoll für die anonymen Händler wie die WOW-Momente der Menschen. Sie sind die seltenen Erden des Data-Mining. Die Algorithmen schürfen nach dem, was die Menschen begeistert, was Glückshormone ausschüttet. Daten darüber zu speichern, zu sammeln, zu verkaufen, ist das Ziel des permanenten Raubbaus an dem, was die Menschen im Netz hinterlassen.

Denn diese Daten verraten die intimsten Begehren, den ureigensten Weg zum Glück. Sie geben preis, für was man am meisten zu investieren bereit ist. Das Wort „werben“ hat im Deutschen eine eigentümliche Doppelbedeutung. Grimms Wörterbuch bezeichnet als Grundbedeutung „sich um etwas bemühen“, vor allem „sich um eine Frau bemühen“ – oder um einen Mann. Das Wort meinte bis an die Schwelle des 20. Jahrhunderts vor allem das intime „Liebeswerben“ zwischen den Geschlechtern.

Glück ist nicht käuflich

Erst in der frühen Hochphase der kapitalistischen Warenproduktion, also um 1900, werde es zu seinem Synonym für „Reklame“, also das „Werben“ der Warenproduzenten um Käufer. Ulrich Grober weiß: „Die bei fast allen Menschen tief mit Magie und Glücksgefühlen verbundene Zeit einer jungen Romanze wurde dabei einfach gleichgesetzt mit den Anreiz zum Kauf eines Produkts, der Verbindung mit einer Marke.“ Man fühlt sich umworben und entwickelt sich dadurch zum Kunden.

Diese Gleichsetzung macht die Kaufkraft, das Geld eines Menschen zum Maß der Wertschätzung seiner Person. Diese Wertschätzung hält sich jedoch in Grenzen und ist prekär. Ulrich Grober betont: „Die Strategie der Kommerzialisierung, die Verwandlung aller Güter in Waren stößt permanent an eine eherne Grenze: Glück ist nicht käuflich.“ Technik schafft kein Da-Sein. Die bunte Welt der massenproduzierten Waren mitsamt ihrem „Glamour“ wird früher oder später implodieren. Quelle: „Die Sprache der Zuversicht“ von Ulrich Grober

Von Hans Klumbies