Die Uhr verwirrte das Denken

Als die Uhr in die Welt kam, verwirrte sie das Denken mit einer enormen Wucht. Dieser war die sogar unfassbar mächtige Kirche, trotz lang anhaltenden Widerstands, am Ende nicht gewachsen. Daniel Goeudevert erklärt: „Ein von Menschen geformtes Werkzeug wurde zum göttlichen Prinzip erklärt und Gott zu einem Uhrmacher degradiert. Das ganze Universum samt der lebendigen Natur erfuhr eine mechanistische, rationalistische Umdeutung.“ Dadurch geriet eine Zukunft in den Blick, die nicht im Jenseits lag, sondern die man schon im Diesseits, auf Erden erreichen konnte. Und diejenigen, die darüber „aufklärten“, waren fast alle von dem meisterhaften Räderwerk der Uhr inspiriert. Den Anfang machte Francis Bacon in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts mit seiner Schrift „Novum Organum“. Daniel Goeudevert war Vorsitzender der deutschen Vorstände von Citroën, Renault und Ford sowie Mitglied des Konzernvorstands von VW.

Das Universum ist eine uhrenähnliche Anlage

Darin propagierte er eine wissenschaftliche Methode, die es erlauben würde, „über alle natürlichen Dinge zu herrschen“. Und damit die Kontrolle über die Zukunft zu gewinnen. Dies sei möglich, weil das Universum eine geordnete, uhrenähnliche Anlage sei. Deren Funktionsprinzipien lassen sich auf die gleiche Art erkennen, wie wenn ein Uhrmachermeister eine Uhr auseinandernehme, um ihre Teile zu analysieren. Diese Vorstellung von einem „Uhrwerksuniversum“, das nach den gleichen mechanistischen Prinzipien zusammengesetzt sei wie eine Uhr, teilten viele namhaften Aufklärer.

Dazu zählten unter anderem René Descartes, Isaac Newton, Gottfried Wilhelm Leibniz, John Locke und Adam Smith. Und was für das Universum galt, bestimmte natürlich auch das irdische Dasein. Für René Descartes beispielsweise waren Tiere „natürliche, seelenlose Automaten“. Dagegen hätten die Menschen zwar eine Seele, ihr Organismus gehorche aber denselben universellen Gesetzen wie die kleinste Taschenuhr. Jedes „Rädchen“ ist Ursache und Wirkung zugleich, alles greift ineinander und ist perfekt aufeinander abgestimmt.

Aus der Zeit lässt sich Gewinn schöpfen

Es entsteht dabei ein Kreislauf, der nun auch der Gesellschaft und der Wirtschaft als Vorbild dient. Daniel Goeudevert stellt fest: „Kurzum, die Funktionsweise der Uhr wurde zu eine Art Welterklärung.“ Aus dieser ließen sich zugleich Methoden für eine Neuausrichtung der sozialen und wirtschaftlichen Ordnung ableiten. Der Begründer der klassischen Ökonomie, Adam Smith, spricht von einer „unsichtbaren Hand“. Diese soll die stets richtige Regulierung von Angebot und Nachfrage auf dem Markt sichern.

Und auch wirtschaftliches Handeln erschien nun wie eine Spiegelung der natürlichen Ordnung der Dinge. Diese neue Ansicht von Gott und Wirklichkeit teilten immer mehr Philosophen und Wissenschaftler. Begeistert übernahm es zeitgleich auch das aufstrebende Bürgertum, der an Macht und Einfluss gewinnende Klasse der Händler und Unternehmer. Am Universum oder den Naturgesetzen waren die Kaufleute dabei eher weniger interessiert. Aber sie erkannten schnell, dass sich aus der Zeit, aus zeitlichen Kenntnissen Gewinn schöpfen ließ. Quelle: „Sackgasse“ von Daniel Goeudevert

Von Hans Klumbies