Martin Luther wetterte gegen Ablässe

Am 31. Oktober 1517 sandte Martin Luther ein Schreiben an Albrecht von Brandenburg, den Erzbischof von Mainz. In diesem Brief, der die berühmten 95 Thesen enthielt, wetterte Luther gegen Ablässe. Dabei handelt es sich um käufliche, aus einem Blatt Papier bestehende Dokumente, die einen angeblich von den Sünden befreien. Helmut Walser Smith fügt hinzu: „Ob Luther die Thesen dann auch an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg nagelte, ist in der Geschichtswissenschaft bis heute umstritten.“ Sicher ist, dass Martin Luthers Kritik im Wesentlichen auf der Vorstellung gründete, Gottes Gnade werden allein durch den gewährt und empfangen, nicht durch gute Werke oder die Fürsprache von Priestern. Diese Vorstellung hatte das Potential, das Christentum, wie man es damals praktizierte, zu untergraben. Helmut Walser Smith lehrt Geschichte an der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee.

Martin Luther prangert die hierarchische Struktur der Kirche an

Im Juni 1520 drohte Papst Leo X. damit, Martin Luther zu exkommunizieren, wenn er die Lehrautorität der Kirche nicht anerkenne. Der Wittenberger Mönch, der bereits Mitte dreißig und auf dem Höhepunkt seines geistigen Schaffens war, antwortete mit einem offenen Brief „An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung“. Dessen 4.000 gedruckte Exemplare waren innerhalb von fünf Tagen ausverkauft. Es war der Beginn eines historischen Feuerwerks an religiösen Pamphleten, Polemiken, Gebetbücher und Schriften.

In dem Sendschreiben wandte sich Martin Luther an die Nation, oder genauer: An den Kaiser und an jene Adligen, die als Würdenträger des Heiligen Römischen Reiches Rom Tribut leisteten. In einer Rhetorik, die schockierend gewesen sein muss, prangerte er die hierarchische Struktur der Kirche an. Er verurteilte die Autorität des Papstes und stellte das Deutungsmonopol der römisch-katholischen Kirche in Bezug auf das Wort Gottes in Frage. Später behauptete er, dass die Heilige Schrift nur die Taufe, die Eucharistie und die Buße als Sakramente zulasse.

Erasmus von Rotterdam verteidigt Martin Luther

Helmut Walser Smith weiß: „Einige Humanisten, die mit Luther sympathisierten, mahnten zur Vorsicht.“ Einer von ihnen war Erasmus von Rotterdam, der meist verehrte Humanist nördlich der Alpen. Er verdiente als Erster seinen Lebensunterhalt mit dem Schreiben. Er riet Martin Luther laut gegen die aufzutreten, welche die päpstliche Autorität missbrauchen, als gegen die Päpste selbst. Erasmus von Rotterdam erhob die Epistel zur Kunstform und entwickelte sich zum Nestor eines christlichen Humanismus, der sich auf die biblischen Quellen konzentrierte.

Erasmus von Rotterdam wollte mit Hilfe der Philologie, alten Sprachen und guter Literatur zu einem wahrhaftigen Glauben gelangen. Helmut Walser Smith erklärt: „Stark beeinflusst von einer praktischen, an guten Werken orientierten Frömmigkeit, verteidige Erasmus Luther zunächst.“ Er behauptete, dass die Vernunft divergierende Positionen zusammenführen könne. Für diesen Optimismus hatte er gute Gründe. Der neue Kaiser Karl V., der im Oktober 1520 in Aachen gekrönt wurde, war ein Freund der Humanisten. Erasmus ging davon aus, dass „die christliche Welt“ unter dem jungen Herrschen „eine sehr lange Blütezeit erleben“ werde. Quelle: „Deutschland“ von Helmut Walser Smith

Von Hans Klumbies