Die Lust ist für Aristoteles ein wesentlicher Faktor zum Erreichen des spezifisch menschlichen Glücks. Wer die Tugenden ohne jede Lust verwirklicht, kann nicht glücklich werden. Auch für Hellmut Flashar steht fest, dass das Glück im Sinne der tugendhaften Tätigkeit nur erreicht werden kann, wenn Freude daran beteiligt ist. In der Philosophie war es Demokrit, der als Erster verschiedene Formen der Lust analysiert und mit dem Guten in Verbindung gebracht hat. Demokrit lässt die maßvolle Lust für ein gelungenes Leben zu und verwirft ein Unmaß an Lust. Hellmut Flashar lehrte bis zu seiner Emeritierung als Klassischer Philologe an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Zu seinen bekanntesten Werken zählen „Inszenierung der Antike. Das griechische Drama auf der Bühne. Von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart“ und „Sophokles. Dichter im demokratischen Athen“.
Alle Lebewesen meiden den Scherz und streben nach Lust
Der Mathematiker und Astronom Eudoxos von Knidos erklärte die Lust überhaupt zum höchsten Gut, weil er der Meinung war, dass alle Lebewesen unabhängig von einem bestimmten Zweck nach Lust streben. Sokrates dagegen stellt die These auf, Vernunft, Erkenntnis und die Erinnerung seien besser als die Lust. Aristoteles stellt laut Hellmut Flashar bei der Analyse der Lust drei Thesen auf. Erstens: Keine Lust ist gut. Zweitens: Die Mehrzahl der Lustarten ist schlecht. Drittens: Die Lust kann nicht das höchste Gut sein.
Die eigene Auffassung der Aristoteles ergibt sich für Hellmut Flashar konsequent aus dem Ansatz, das Glück liege in der Tätigkeit im Sinne des ethisch wertvollen Handelns zu begreifen. Hellmut Flashar fügt hinzu: „Denn dabei stelle sich die Lust von selbst ein; sie kann sogar die Vollendung der Tätigkeit sein. Aristoteles teilt mit Eudoxos die Richtigkeit des Befundes, wonach alle Lebewesen, vernunftbegabte und vernunftlose, überall und in allen Lebensphasen den Schmerz zu meiden suchen und nach Lust streben, die doch dann etwas Gutes sei.“
Die Vernunft steht dem Guten noch viel näher als die Lust
Aristoteles teilt allerdings nicht die Auffassung, dass die Lust das oberste Gut sein müsse. Denn die um ihrer selbst willen erstrebte Lust kann seiner Meinung nach in Zügellosigkeit und Unersättlichkeit umschlagen und sich damit in das Gegenteil von Lust verwandeln. Mit der Verwirklichung der ethischen Tugend schleicht sich die Lust ganz natürlich ein, als List der Lust, und ihre Geltung bemisst sich nach dem Wert der Handlung. Für Aristoteles stand von Anfang an fest, dass alle ethisch relevanten Handlungen mit Lust und Unlust verbunden sind.
In Platons Dialog „Philebos“ führen Sokrates und Protarchos ein Gespräch über das Verhältnis der Lust zum Guten. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass ein aus Lust und Vernunft gemischtes Leben das Beste sei, die Vernunft dem Guten aber doch viel näher stehe als die Lust, beide allein aber der Selbstständigkeit ermangeln. Hellmut Flashar ergänzt: „Die drei Prinzipien: Maß, Schönheit und Wahrheit sind die Normen, nach denen die Lust bewertet und in ihrer maßvollen Form zugelassen wird.“ Aristoteles dagegen vertritt die These, dass Menschen, die wirklich großzügig oder gerecht im konkreten Handeln sind, mit Freude agieren, und insofern ist Lust die Vollendung des Tätigseins und damit ein positiver Wert.
Von Hans Klumbies