Die sechs Staatsverfassungen des Aristoteles

Für Aristoteles gibt es drei Arten der Polisverfassung und eine gleiche Anzahl von Abarten. Die Grundformen sind das Königtum, die Aristokratie und an dritter Stelle, die auf der Einstufung nach dem Vermögen beruhende Politie, auch Timokratie genannt. Von den drei Verfassungen ist die beste das Königtum, die schlechteste die Politie. Die Abart des Königtums ist die Tyrannis. Obwohl beide die Herrschaft eines einzigen bedeuten, ist ihr Unterschied doch außerordentlich groß: Der Tyrann schaut nur auf seinen eigenen Vorteil, der König aber auf das Wohl der Untertanen, denn König ist nur, wer nach allen Seiten hin unabhängig und an allen Gütern überlegen ist. In einer solchen Stellung hat er nichts weiter vonnöten, das heißt, er wird nicht auf persönlichen Vorteil bedacht sein, dagegen auf das Wohl derer, die unter seiner Herrschaft leben.

Die Demokratie entwickelt sich aus der Politie

Vom Königtum verläuft die Entwicklung zur Tyrannis, denn die Tyrannis ist eine Entartung der Alleinherrschaft, wobei ein schlechter König sich zum Tyrannen entwickelt. Aus der Aristokratie entwickelt sich durch die Verderbtheit der herrschenden Schicht die Oligarchie. Sie verteilen laut Aristoteles, was in der Polis zu teilen ist, allerdings nicht nach Würdigkeit. Sie geben alle Güter, oder zumindest zum größten Teil sich selbst, die Ämter immer den gleichen Personen.

Ihr oberstes Ziel ist der Reichtum. So wird die herrschende Schicht klein gehalten und es sind nicht die Besten, die ihr angehören, sondern die Schlechtesten. Aristoteles stellt die These auf, dass sich aus der Politie die Demokratie entwickelt. Ihrem Wesen nach will die Politie eine Herrschaft der Mehrheit sein, in der alle Angehörigen der Vermögensklassen als gleich gelten. Am wenigsten tief unter den Abarten der Verfassungen reiht Aristoteles die Demokratie ein, da sie nur in einem geringen Grade von der Politie abweicht.

Die Verfassung der Hausgemeinschaft

Analogien zu den Verfassungsformen beobachtet Aristoteles an den Hausgemeinschaften. So hat die Gemeinschaft des Vaters zu den Söhnen die Gestalt einer Königsherrschaft, denn die Sorge um die Kinder ist eine der Hauptaufgaben des Vaters. Auch das Königtum will seinem Wesen nach ein väterliches Regiment sein. Wenn die Söhne wie bei den Persern wie Sklaven behandelt werden, gleicht die väterliche Gewalt einer Tyrannis. Einer Tyrannis gleicht auch das Verhältnis des Herrn zum Sklaven, denn es ist der Vorteil des Herrn, um den es sich hier handelt.

Das Verhältnis des Mannes zur Frau hat für Aristoteles die Merkmale einer Aristokratie. Denn hier herrscht der Mann gemäß dem ihm eigentümlichen Rang, und er herrscht in den Dingen, für die er zuständig ist – was aber in den Bereich der Frau gehört, überlässt er ihr. Wenn aber der Mann im ganzen Hauswesen der Herr sein will, so macht er aus der Aristokratie eine Oligarchie, denn sei Tun ist die Verletzung des richtigen Rangverhältnisses, er herrscht dann nicht mehr auf der Basis seines natürlichen Vorranges.

Es kommt auch vor, dass die Frau im Haus das Regiment führt, weil sie ein reiches Erbe mitgebracht hat. Dieses Regiment entspricht dann nicht dem charakterlichen Wert, sondern beruht auf Reichtum und Einfluss wie in den Oligarchien. Das Verhältnis von Brüdern zueinander betrachtet Aristoteles als Timokratie, da bei ihnen, bis auf den Altersunterschied, Gleichheit herrscht. Demokratie findet der griechische Philosoph vor allem dort, wo die Menschen ohne jedes Oberhaupt zusammenleben. Dort ist die Basis für alle gleich. Die Demokratie herrscht auch in Gemeinschaften, wo die Führung schwach ist und jeder tun kann, was er will.

Von Hans Klumbies