Die Macht fühlt sich wie eine lebendige Kraft an

Ausbeuterisches, selbstsüchtiges und gewalttätiges Handeln vernichtet den Zusammenhalt starker Gruppen. Gruppen wissen das und kennen auch Geschichten von Menschen, die die Macht missbraucht haben und habgierig und unbeherrscht handelten. Dacher Keltner erklärt: „Gruppen verleihen daher die Macht an die, die Begeisterung verbreiten und freundlich, zielorientiert, ruhig und offen sind. Mit dem Ansehen, dass sie einer Person verleihen, zeigen sie an, dass diese fähig ist, für das Wohl der Gruppe zu handeln.“ Gruppen verlassen sich auf den Ruf, wenn es darum geht, zusammenzuarbeiten, zu kooperieren, Bündnisse zu schließen und starke Bindungen einzugehen. Sie erhöhen den Ruf derer, die bereit sind, zu teilen. Und sie schädigen mit deftigen Klatschgeschichten den Ruf derer, die selbstsüchtig sind und sich als Machiavellisten aufführen. Dacher Keltner ist Professor für Psychologie an der University of California in Berkeley und Fakultätsdirektor des UC Berkeley Greater Good Science Center.

Machtmissbrauch ist in jeder Hinsicht kostspielig

Macht ergreift man nicht, sie ist ein Geschenk. Macht fühlt sich zudem wie eine lebendige Kraft an. Diese durchdringt den Körper und treibt Menschen beim Verfolgen von Zielen voran. Dacher Keltner erläutert: „Ein genauerer Blick zeigt, dass ein Mensch, der sich für mächtig hält, mehr Aufregung, Inspiration, Freude und Euphorie verspürt. Dadurch wird er in die Lage versetzt, zweck- und zielgerichtet zu handeln. Verspürt er Macht, erlangt er rasch Belohnungen durch seine Umgebung und erfasst sehr schnell, welche Ziele eine Situation erfordern.“

Gleichzeitig dämpft die Erfahrung von Macht die Aufmerksamkeit für die Risiken, die jegliches Handeln mit sich bringt. Der Besitz von Macht treibt das Individuum in eine von zwei Richtungen voran: zum Machtmissbrauch mit unethischen, ungestümen Aktionen oder zu einem Verhalten, das auf das Gemeinwohl aus ist und damit Gutes will. Machtmissbrauch ist in jeder Hinsicht kostspielig: Der Preis reicht vom Verlust des Vertrauens in die Gesellschaft über dürftige Leistungen bis zu schlechter Gesundheit.

Dauerhafte Macht erwächst aus Empathie

Im Gegensatz dazu werden alle, die ihre Macht dem Gemeinwohl widmen, und alle, denen sie Macht verleihen, glücklicher, gesünder und produktiver. Mehr noch: Wählt man diese Richtung, erfreut man sich bleibender Macht. Der Schlüssel zu bleibender Macht ist für Dacher Keltner einfach: „Konzentriere dich auf die anderen. Stelle die Interessen der anderen nicht hinter deine eigenen. Versuche, die guten Anlagen der anderen zu fördern und nicht ihre schlechten. Freue dich mit den anderen, wenn sie etwas in der Welt erreichen.“

Die Konzentration auf die anderen führt also zu dauerhafter Macht. Dauerhafte Macht erwächst aus Empathie. Sie beruht auf geben statt nehmen. Und sie beruht darauf, Dankbarkeit zu zeigen und ist abhängig davon, Geschichten zu erzählen, die zusammenführen. Eine erste Quelle dauerhafter Macht ist die Konzentration darauf, was andere fühlen: Zu diesem Akt praktizierter Empathie gehört, die reiche Sprache emotionaler Ausdrücke im eigenen sozialen Leben einzusetzen. So durchläuft man die Interaktionen im Alltagsleben mit größerem Feingefühl. Dadurch steuert man letztlich auf das Ziel zu, das Gemeinwohl zu fördern. Quelle: „Das Macht-Paradox“ von Dacher Keltner