Christo, der am 13. Juni 1935 als Christo Vladimirow Javacheff in Bulgarien geboren wurde, hasst es, wenn man ihn Verpackungskünstler nennt. Weil das seiner Meinung nach eine grobe Vereinfachung ist. Außerdem hat er schon lange nichts mehr verpackt. Die „Gates“ im Central Park waren keine Verpackung, die „Schirme“ und der „Running Fence“ auch nicht. Christo ergänzt: „Die letzte Idee, etwas zu verpacken, hatten wir 1975, das war Pont Neuf. Den Berliner Reichstag wollten wir schon 1971 verpacken, es hat nur ein bisschen länger gedauert.“ Christo arbeitet immer mit Stoffen, weil sie den provisorischen Charakter, die Vergänglichkeit seiner Projekte verkörpern. Jeanne-Claude, seine Ehefrau, die 2009 starb, und Christo waren wie Nomaden in der Kunst: Sie haben immer schnell ihre Zelte aufgeschlagen und sind nach ein paar Wochen schon wieder weitergereist.
Christo verpackt Motorräder und die Schuhe seiner Frau
Zu Beginn seiner Künstlerkarriere hat Christo nicht einfach Objekte verpackt, sondern Baumwollstoff mit einem speziellen Lack bestrichen, der das Gewebe steif machte und dem ganzen Objekt einen skulpturalen Charakter verlieh. Christo erklärt: „Ich fing an, einfache Dinge wie Flaschen, Dosen und Stühle zu verwandeln und zu schauen, wie sich unsere Wahrnehmung dadurch verändert.“ In den 60er Jahren schien nichts vor Christo sicher zu sein. Er verpackte Motorräder, einen Renault, den Kinderwagen seines Sohnes und die Schuhe seiner Frau.
Damals hat ein einfach die alltäglichen Gegenstände genutzt, die er um sich hatte. Daraus entstanden aber nicht irgendwelche Pakete, sondern attraktive Skulpturen. Christo kritisiert, dass die Menschen heutzutage einfach keinen Respekt mehr vor Kunstwerken haben, besonders vor zeitgenössischen. Christo schimpft: „Die Leute gehen vorsichtiger mit Porzellantassen um als mit moderner Kunst! Es ist eine Frechheit. Ein Kunstwerk ist hundertmal so teuer wie das teuerste Porzellan, aber die Menschen haben keinerlei Verstand und behandeln es wie den letzten Dreck.“
Die Arbeiten von Christo und Jeanne-Claude besitzen eine ungeheure Freiheit
Christo hat sogar Frauen verpackt: Die erste 1962 in Paris, dann ein Jahr später in Düsseldorf. Der deutsche Fotograf Charles Wilp stellte ihm die Models zur Verfügung. Christo erläutert: „Sie mussten fünf Stunden still stehen und durch eine kleine Öffnung in der Verpackung atmen.“ Im Jahr 1967 hat Christo sogar ein Hochzeitskleid entworfen. Auch im Alter von 79 Jahren tut Christo gerne, was er tut. Jeanne-Claude und er haben jede Minute ihres Lebens in Kunst verwandelt, weil sie die Kunst lieben. Alles ist für sie Kunst. Sie waren wie Besoffene. Christo ist auch heute immer noch besoffen von der Kunst.
In über einem halben Jahrhundert haben Christo und Jeanne-Claude 22 Projekte verwirklicht und für 37 keine Genehmigung bekommen. Ihre Kunst ist eine enorme Darstellung menschlichen Verhaltens und nicht allein das Resultat ihrer eigenen Arbeit. Denn sie arbeiten mit fabelhaften Teams aus Anwälten, Ingenieuren und Handwerkern zusammen. Ein essentieller Teil ihrer Projekte ist die Vergänglichkeit. Das Kunstwerk ist unverkäuflich. Niemand kann Eintrittskarten verkaufen, niemand kann es besitzen. Sogar Jeanne-Claude und Christo selbst haben keinen Besitzanspruch darauf. Christo betont: „Unsere Arbeiten besitzen eine ungeheure Freiheit, denn sie sind total nutzlos, total irrational und total unnötig.“ Quelle: Süddeutsche Zeitung Magazin
Von Hans Klumbies