Roboter lernen fühlen und verstehen

Die Mittelschicht hat sich an das Muster des 20. Jahrhunderts gewöhnt, dass Automatisierung in der Wirtschaft nur die Schwachen betraf. Dieses Muster gilt nicht mehr. Das ist für viele Menschen verstörend, weil die Logik so beunruhigend ist. Heutzutage bedrohen Maschinen die Jobs der sowohl Qualifizierten wie auch der Unqualifizierten. Alexander Hagelüken erklärt: „Bisher mussten Maschinen festen Regeln folgen, weshalb sie nur Routinejobs ersetzten. Auf einmal können sie viel mehr.“ Avancierte Roboter entwickeln Sinne und Fertigkeiten, die ihnen ganz andere körperliche Tätigkeiten erlauben. Sie lernen sehen, fühlen, und verstehen. Millionen Jobs in der Dienstleistungsbranche, die nach dem Verschwinden der Fabrikarbeit die Rettung waren, sind nun in Gefahr. Gleichzeitig übernehmen die Maschinen geistige Tätigkeiten, die bisher dem Menschen vorbehalten waren. Alexander Hagelüken ist als Leitender Redakteur der Süddeutschen Zeitung für Wirtschaftspolitik zuständig.

Maschinen verfügen über keine kreative Intelligenz

Weil sie auf einmal Muster durchschauen, riesige Datenmengen verarbeiten und Probleme lösen können. Alexander Hagelüken ergänzt: „Sie begutachten Produkte, überwachen Patienten, beantworten Anfragen. Und sie übernehmen die Tätigkeiten von Akademikern: Sie prüfen rechtliche Fragen, werten Börseninformationen aus, unterrichten in Onlinekursen.“ Sie machen nicht nur jede Menge Sachbearbeiter und Servicekräfte überflüssig. Sie ersetzten Rechtsanwälte, Ärzte und Professoren, notiert die Ökonomin Dalia Marin – Berufe ganz oben auf der Skala, die nie gefährdet schienen.

Maschinen ahmen die Fähigkeiten des Menschen nach, ohne dessen Bedürfnisse zu haben. Sie essen weder noch schlafen sie oder ratschen mit Kollegen. Sie verlangen keine Freizeit und keine Lohnerhöhung. Im Gegenteil: Roboter werden jedes Jahr um zehn Prozent billiger. Welche Tätigkeiten bleiben da noch für den Menschen übrig? Wissenschaftler sind sich einig, dass eine ganze Menge bleibt. Ob Designer, Richter, Ingenieure oder Psychologen: Was mit kreativer Intelligenz, komplexer Beurteilung oder sozialer Einfühlung zu tun hat, fällt Maschinen weiter schwer.

Roboter verändern das Gesicht der Arbeitswelt fundamental

Aber Roboter können inzwischen fast die ganze Produktion von Waren ersetzen. Das bedeutet nichts anderes als das Ende des Arbeiters. Und zum anderen das meiste in der Verwaltung, beim Verkauf, in der Logistik und bei Dienstleistungen generell. In den nächsten zwanzig Jahren könnte beispielsweise jeder zweite Arbeitsplatz in den USA durch Maschinen ersetzt werden. Das würde das Gesicht der Arbeitswelt fundamental verändern. Dazu kommt, dass sich selbst qualifizierte Stellen nicht nur automatisieren, sondern auch in billigere Länder verlagern lassen.

Allan Blinder, früher Vizechef der US-Notenbank, meint, dass 30 Prozent aller amerikanischen Jobs verlagert werden können – an Programmierer, Sachbearbeiter oder Callcenter in Übersee. Schon bildet sich in den USA das Berufsbild des Billigselbstständigen am Computer heraus, der sich von Auftrag zu Auftrag hangelt, ohne Krankenversicherung und Rente. Selbst wenn Untersuchungen für Deutschland optimistischer sind. Nimmt man alles zusammen, erscheinen Arbeitsplätze und bestehende Lohnniveaus in einem Ausmaß gefährdet, das historisch ohne Beispiel ist.

Von Hans Klumbies