Das natürliche Kapital ist der Schlüssel zur Nachhaltigkeit

In den vergangenen fünfundzwanzig Jahren ist die Weltwirtschaft um mehr als das Doppelte gewachsen. Seit zwanzig Jahren ist die absolute Zahl der Menschen, die von weniger als einem Dollar pro Tag leben müssen, rückläufig. Zu verdanken ist dies laut Achim Steiner vor allem der massiven Bekämpfung der Armut in den Schwellenländern China und Indien. Doch diese positiven Entwicklungen haben auch ihre negativen Seiten: Weltweit sind schon rund sechzig Prozent der Ökosystemdienstleistungen, also ökologische Prozesse oder Funktionen, die für die Menschen von Nutzen sind, bereits beeinträchtigt, weil sie nicht nachhaltig genutzt werden. Jedes Jahr verschwinden weltweit 13 Millionen Hektar Waldgebiete, was einer Fläche Griechenlands entspricht. Der überzeugte Umweltschützer Achim Steiner studierte an der University of Oxford, der University of London und an der Harvard Business School Politikwissenschaft und Volkswirtschaft. Im Jahr 2006 trat er die Nachfolge von Klaus Töpfer zum Exekutiv-Direktor des UN-Umweltprogramms UNEP mit Sitz in Nairobi an.  

Eine widersinnige Subventionspolitik schädigt massiv die Umwelt

In der Vergangenheit ist es im Rahmen der Wachstumsförderung und Wirtschaftsentwicklung laut Achim Steiner vielfach nicht gelungen, die Auswirkungen auf das natürliche Kapital zu berücksichtigen. Unter natürlichem Kapital versteht der Umweltschützer zum Beispiel ein stabiles Klima, reine Luft, sauberes Trinkwasser, Wälder mit einer natürlichen Artenvielfalt und fruchtbare Böden. Weltweit geben die Staaten jährlich für Energiesubventionen weit über 200 Milliarden Dollar aus. Fast neun Zehntel davon fließen in fossile Brennstoffe, deren Verbrennung die Hauptursache für die globale Erwärmung darstellt.

Allein die Abschaffung dieser Subventionen könnte gemäß Achim Steiner den weltweiten Kohlendioxidausstoß um rund zehn Prozent senken. Als weiteres Beispiel nennt der Umweltpolitiker die widersinnigen Fischereisubventionen, die sich weltweit auf rund 20 Milliarden US-Dollar belaufen. Achim Steiner schreibt: „Einem Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2005 zufolge sind die Bestände von sieben der zehn am häufigsten gefischten Meeresfischarten bereits erschöpft oder überfischt.“

Die zunehmende Belastung der Umwelt bremst inzwischen selbst das Wachstum

Es ist eine traurige Realität, dass natürliches Kapital häufig nicht mit anderen Formen des Kapitals konkurrieren kann, weil es ein öffentliches Gut ist. Achim Steiner warnt: „Doch diese zunehmende Belastung der Umwelt kann nicht unkontrolliert fortgesetzt werden, weil sie mittlerweile selbst das Wachstum bremst.“ Wachstum ist allerdings für Achim Steiner nicht grundsätzlich schlecht. In vielen Entwicklungsländern, in denen die Mehrheit der wachsenden Weltbevölkerung lebt, ist die Steigerung der Produktion eine unabdingbare Voraussetzung, um Milliarden Menschen aus der Armut zu befreien.

Der Schlüssel für die Überwindung des Dilemmas zwischen Wachstum und Umwelt lautet für Achim Steiner wie folgt: ein Wirtschaftswachstum bei möglichst geringer Umweltbelastung zu erzielen und die Anforderungen des Umweltschutzes in Wachstumschancen zu verwandeln. Methoden für die Schätzung der Umweltkosten des Wachstums gibt es bereits. Was fehlt, ist laut Achim Steiner der politische Wille der Länder, diese Methoden anzuwenden und darauf beruhende Wachstumsentscheidungen zu treffen.

Von Hans Klumbies