Lob ist ein zwiespältiges und tückisches Verhalten

Wenn ein Mensch etwas geleistet hat und ein anderer sagt, dass er es gut findet, freut sich der Gelobte in der Regel. Man fühlt sich anerkannt und hat mehr Lust und Mut, so weiterzumachen. Sagt der andere nie etwas, fehlt einem etwas. Loben ist daher „in“ – in der Erziehung seit jeher. Reinhard K. Sprenger ergänzt: „Das Loben gilt aber auch unter Erwachsenen als besonders humane, mitmenschliche Form des Miteinanderumgehens.“ Die Worte des Rheinländers Konrad Henkel – „Lorbeer gehört nicht auf den Kopf, sondern in den Sauerbraten“ – verhallten jedenfalls ungehört. Reinhard K. Sprenger gibt allerdings zu, dass viele Menschen ein schmerzlich ein Defizit an Aufmerksamkeit spüren. Reinhard K. Sprenger ist promovierter Philosoph und gilt als einer der profiliertesten Managementberater und Führungsexperte Deutschlands.

Ein Merkmal des Lobs ist sein Tauschcharakter

Loben ist allerdings bei genauerem Hinsehen ein sehr zwiespältiges, tückisches Verhalten, dessen verhängnisvolle Wirkung nicht sofort zutage tritt. Es schadet aber – und das ist Reinhard K. Sprengers These – dem Selbstwertgefühl langfristig eher, als es nützt. Weil es urteilt: Auch wenn es positiv ist, kommt das Urteil „von oben“. Weil es leer ist: Die Gelobten erfahren selten etwas Substanzielles. Weil es verführt: entweder zur Selbstüberschätzung oder zu falscher Bescheidenheit. Weil es schwächt: Ohne gelobt zu werden, fehlt vielen der Antrieb.

Weil es manipuliert: Andere entscheiden für den Gelobten, was gut und richtig ist. Weil es erniedrigt: Man wird gelobt wie ein Kind – und kann sich nicht einmal dagegen wehren. Reinhard K. Sprenger erklärt: „Dem Loben ist immer ein Bewertungsvorgang vorausgegangen, der sich auf eine Leistung oder ein Verhalten bezieht, also nicht eigentlich auf die Person als solche, sondern auf etwas, das die Person gemacht hat. Es trägt daher deutlich erkennbar einen Tauschcharakter: Lob gegen Leistung.“ Das damit eng zusammenhängende Wesensmerkmal des Lobens ist die Tatsache, dass es immer ein Monopol der Bewertung gibt.

Lob ist keineswegs eine liebevolle Geste

Das heißt: Es gibt immer einen, der sagen darf, was gut und richtig ist und jemanden, der das Urteil über sich ergehen lassen muss. Lob schafft und bestätigt damit zweierlei: erstens ein beurteilendes Verhältnis und zweitens ein hierarchisches Muster. Gelobt wird von oben nach unten. Auch in der Sprache des Körpers drückt sich dieses Machtgefälle aus: in der Geste des Schulterklopfens. Anerkennend ist es zumeist gemeint und ist doch ganz ausdrücklich ein Schlagen, eine Geste von oben nach unten.

Lob macht den Lobenden jedoch nicht nur indirekt zum Chef; man nutzt es auch aktiv zur Selbsterhöhung. Denn das Bemerkenswerte an einem positiven Urteil ist nicht, dass es positiv ist, sondern ein Urteil. Indem jemand urteilt, erhebt er sich, trennt er sich. Lob ist also keineswegs eine liebevolle Geste, sondern das genaue Gegenteil. Das Loben schafft Eltern-Kind-Verhältnisse und in der Folge ganze Legionen unselbstständiger, lobsüchtiger Kinder: Sie sind kurzeitig angespornt, motiviert, langfristig aber unverantwortlich, notorisch unterversorgt und angepasst. Quelle: „Die Entscheidung liegt bei dir!“ von Reinhard K. Sprenger

Von Hans Klumbies