Schönheit hat für Rebekka Reinhard nichts mit Gerechtigkeit zu tun. Sie ist nicht gleichmäßig unter den Menschen verteilt. Bei vielen ist Attraktivität eine Leistung, bei manchen ein Gottesgeschenk. Es kann allerdings nicht nur ein Geschenk, sondern auch eine Strafe der Natur sein. Als Beispiel nennt Rebekka Reinhard den Adonis Narziss, dem seine herausragendes Aussehen ganz und gar nicht bekam: „Es verleitete ihn dazu, arrogant einen Verehrer nach dem anderen abzuweisen, sich in sich selbst zu verlieben und am Ende, in trauter Zweisamkeit mit seinem Spiegelbild, an einem Weiher zu verenden.“ Dr. Rebekka Reinhard studierte Philosophie, Amerikanistik und Italianistik und promovierte über amerikanische und französische Gegenwartsphilosophie. Zu ihren erfolgreichen Büchern zählen „Die Sinn-Diät“, „Odysseus oder Die Kunst des Irrens“ und „Würde Platon Prada tragen?“
Herausragende Schönheit kann auch sehr viel zerstören
Eine herausragende Schönheit zwingt ihre Umwelt laut Rebekka Reinhard zu zwei gegensätzlichen Reaktionen, die sich rasend schnell abwechseln können. Auf der einen Seite stehen Bevorzugung und Bewunderung, auf der anderen Neid und Eifersucht. Übermäßige Schönheit ist also mit Vorsicht zu genießen. Rebekka Reinhard erklärt: „Sie ist nicht nur lieblich, sie kann auch sehr gefährlich sein. Sie hat die Macht, alles zu zerstören, was ihr in den Weg kommt: Ehen, Freundschaften, Arbeitsbeziehungen, die Beziehung zu einem selbst.“
Die Psychoanalytikerin Edith Jacobson, die von 1897 bis 1978 lebte, hat festgestellt, dass herausragende Schönheit bei ihren Patientinnen sogar aus guten Menschen schlechte machen kann: „Mir fiel auf, dass die Schönheit dieser Frauen entweder katastrophale Auswirkungen auf ihr Umfeld hatte oder auf ihr eigenes Leben oder beides.“ Die Schönen fühlen sich oft zu Unrecht gelobt und belohnt, wodurch sie sich gezwungen sehen, die Welt herauszufordern und sich zu versündigen.
Attraktivität ist nur bedingt käuflich und keine Garantie für Glück
Irgendwann merken die schönen Sünderinnen allerdings, dass ihre Magie nachlässt. Ihr phänomenales Äußeres verliert an Strahlkraft. Wenn Attraktivität ein Geschenk der Natur ist, dann ist ihre Haltbarkeit ziemlich begrenzt. Am Ende lassen sich selbst bei den Schönsten die Alterungsprozesse nicht aufhalten. Doch sie verzweifeln daran mehr als andere. Attraktivität, mit allen Vor- und Nachteilen, die sie mit sich bringt, ist auch nur bedingt käuflich. Schönheitsoperationen und Designerklamotten sind keine Garantie für Schönheit.
Vor allem ist Schönheit keine Garantie für Glück. Dennoch doktern viele Menschen an ihrem Äußeren herum und übersehen dabei das eigentliche Motiv ihres Strebens – den Wunsch nach Erlösung. Rebekka Reinhard erklärt: „Die Sehnsucht, durch gutes Aussehen von Angst, Einsamkeit, mangelnder Anerkennung, einer schlechten Ehe, einem miesen Job und vielen anderen Problemen befreit zu werden.“ Diese Verblendung erklärt sich dadurch, dass Menschen ihren Körper als etwas betrachten, dass sie haben und nicht als etwas, was sie sind.
Von Hans Klumbies