Die Französische Revolution ist die Mutter aller Revolutionen

Es war und ist die Französische Revolution, an der sich das moderne Denken der Revolution überhaupt entzündet hat, die zum Maßstab, zum Angelpunkt und zum Referenzrahmen aller nachfolgenden Revolutionen werden wird, von den Revolutionen des Jahres 1848 über die Russische Revolution 1917, vom Pariser Mai des Jahres 1968 bis zum euphemistisch so genannten Arabischen Frühling. Konrad Paul Liessmann schreibt: „Im Jahre 1957 veröffentlichte der Philosoph Joachim Ritter an einem entlegenen Ort eine kleine Abhandlung mit dem Titel „Hegel und die französische Revolution“. Er sollte einer der einflussreichsten Texte der deutschen Nachkriegsphilosophie werden.“ Joachim Ritter, der später zum Oberhaupt einer gerne konservativ genannten Schule avancieren sollte, hatte darin den Versuch unternommen, Hegel vom Vorwurf, ein Verteidiger des reaktionären preußischen Staates zu sein, zu befreien. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

Die absolute Freiheit will sich auf den Thron der Welt erheben

Außerdem wollte Joachim Ritter den Nachweis zu liefern, dass Hegels geschichtsphilosophisches Denken nur aus einem positiven Verhältnis zur Französischen Revolution zu verstehen ist. Wie immer diese Deutung heute eingeschätzt werden mag: Entscheidend war, dass Joachim Ritter mit Hegel versuchte, die Revolution auf den Begriff zu bringen. Mit Emphase zitiert Ritter jene berühmt gewordenen Sätze aus Hegels „Phänomenologie des Geistes“, nach denen die politische Revolution die „ungeteilte Substanz der absoluten Freiheit“ ist, die sich auf den „Thron der Welt“ erheben will, „ohne dass irgendeine Macht ihr Widerstand zu leisten vermöchte“.

Freiheit ist das Motiv, der Ausgangspunkt und das Telos der Revolution, Freiheit ist aber auch das immer wieder neu zu behauptende problematische Erbe der Revolution: „Dies durch die Revolution gestellte und zugleich nicht gelöste Problem ist die politische Verwirklichung der Freiheit“, einer Freiheit allerdings, die streng hegelianisch als die Möglichkeit des „Beisichselbstseins des Menschen“ gedacht wird. Oder wie Joachim Ritter mit Aristoteles erläutert: „Frei ist der Mensch, der um seiner selbst willen, nicht um eines anderen willen ist.“

Der Terror ist die Schattenseite der revolutionären Freiheit

Revolution bedeutet: die Freiheit als Freiheit für alle einzufordern, sie zu einem Recht zu erklären und nach einer Verfassung des Staates zu suchen, die imstande ist, diese Freiheit, die nur als Freiheit des Einzelnen gedacht werden kann, zu garantieren. Konrad Paul Liessmann stellt fest: „Wohl wusste Hegel und mit ihm auch Ritter, dass der erste Schritt in diese Freiheit, die Revolution selbst, ihre Schattenseite hat: den Terror.“ Das entsprechende Kapitel in Hegels „Phänomenologie“ trägt den Titel „Die absolute Freiheit und der Schrecken“.

Und darin findet sich auch jene lakonische und auch von Ritter zitierte Bemerkung, dass zur Revolution auch der „platteste Tod“ gehört, „ohne mehr Bedeutung als das Durchhauen eines Kohlkopfes …“ Im Namen der Freiheit des Einzelnen wird das Leben des Einzelnen zu einer Nullität – es hat keine Bedeutung. Doch dieser Schrecken und seine Opfer schienen angesichts des großen revolutionären Programms der „Einheit von Freiheit und Menschsein“ wenn nicht vernachlässigbar, so doch legitimierbar. Quelle: „Bildung als Provokation“ von Konrad Paul Liessmann

Von Hans Klumbies