Der Homo sapiens nahm als erstes Tier den Hund bei sich auf

Vor der Erfindung der Landwirtschaft haben die allermeisten Menschen in kleinen Gruppen von einigen Dutzend bis wenigen Hundert Personen gelebt. Diesen Gemeinschaften gehörten ausschließlich Menschen an. Letzteres ist keineswegs so offensichtlich, wie es zuerst klingen mag. Denn die meisten Angehörigen von Agrar- und Industriegesellschaften sind nämlich Haustiere. Sie haben zwar nicht dieselben Rechte wie die Menschen, gehören aber zweifellos zu diesen Gesellschaften. Yuval Noah Harari nennt ein Zahlenbeispiel: „Die Bevölkerung von Neuseeland besteht beispielsweise aus 4,5 Millionen Sapiens und 50 Millionen Schafen.“ Von dieser Regel gibt es allerdings eine Ausnahme, den Hund. Er war das erste Tier, das der Homo sapiens bei sich aufnahm und zwar geschah dies lange vor der wirtschaftlichen Revolution. Die ersten sicheren Hinweise auf die Existenz von Haushunden sind rund 15000 Jahre alt.

Einsamkeit und Privatsphäre waren bei den frühen Menschen nahezu unbekannt

Die frühen Menschen setzten die Hunde zum Kampf und zur Jagd ein. Die neuen Gefährten warnten den Homo sapiens vor wilden Tieren und menschlichen Eindringlingen. Das hatte weitreichende Folgen. Yuval Noah Harari erläutert: „Zwischen Hund und Mensch entstand ein Band des Verständnisses und der Zuneigung, das auf Gegenseitigkeit beruhte.“ Im Verlauf der Geschichte entwickelten sich Hunde und Menschen gemeinsam und lernten, miteinander zu kommunizieren. Heute hat der Mensch zum Hund eine tiefere emotionale Beziehung entwickelt als zu irgendeinem anderen Tier.

Bevor sich die Menschen niederließen und Landwirtschaft betrieben, kannten sich die Angehörigen einer Gruppe einander bestens und waren ihr ganzes Leben lang mit Verwandten und Freunden zusammen. Einsamkeit und Privatsphäre waren bei ihnen deshalb weitgehend unbekannt. Benachbarte Gruppen konkurrierten laut Yuval Noah Harari vermutlich um Ressourcen und fochten miteinander Kämpfe aus. Der Zusammenhalt und die gemeinsame Arbeit in der Gruppe war eines der wichtigsten Merkmale des Homo sapiens, denen er einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Menschenarten verdankte.

Vor der landwirtschaftlichen Revolution war die Erde sehr dünn besiedelt

Manchmal wurden die freundschaftlichen Bande zwischen zwei rivalisierenden Gruppen auch so eng, dass sie einen Stamm bildeten, der die gleiche Sprache sprach und gemeinsame Mythen, Normen und Werte entwickelte. In der Regel aber verbrachten benachbarte Gruppierungen die meiste Zeit in völliger Abgeschiedenheit und Eigenständigkeit. Yuval Noah Harari fügt hinzu: „Der Handel beschränkte sich auf Luxusgüter wie Muscheln, Bernstein, oder Farbpigmente. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Menschen mit Nahrungsmitteln wie Obst oder Fleisch gehandelt haben könnten, oder das einzelne Gruppen auf die Lieferungen von anderen angewiesen waren.“

Politische und soziale Beziehungen zwischen rivalisierenden Gruppen waren auch eher rar. Da der Stamm keine dauerhafte politische Einrichtung war, gab es keine festen Siedlungen oder langlebige Einrichtungen. Jäger trafen oft monatelang keinen Fremden und sahen im Laufe ihres Lebens nur wenige Hunderte Menschen, da sich diese auf riesige Gebiete verteilten. Yuval Noah Harari erklärt: „Vor der landwirtschaftlichen Revolution hatte der gesamte Planet weniger menschliche Bewohner als die heutige Schweiz.“

Von Hans Klumbies