Die Polarisierung von Konsum und Arbeit ist nicht mehr angemessen

Lange Zeit wurde Konsum mit Verschwendung, Müßiggang und Passivität assoziiert und als das Gegenteil von Arbeit angesehen. Wolfgang Ullrich erläutert: „Es galt: Konsumiert werden kann nur, was zuvor produziert wurde, und allein deshalb ist unproduktiv, wer konsumiert.“ Konsum zerstört sogar, was durch Arbeit hergestellt wurde. In der gegenwärtigen Wohlstandsgesellschaft – so Wolfgang Ullrichs These – ist diese Polarisierung von Konsum und Arbeit nicht mehr angemessen. Vielmehr wird Konsum sogar als Arbeit erfahren und Arbeit gerade auch beim Konsumieren geleistet. Die Schrift „Theorie der feinen Leute“ von Thorstein Veblen ist aus dem Gegensatz zwischen Müßiggang und Verschwendung einerseits und produktiver Arbeit andererseits entwickelt. Prof. Dr. Wolfgang Ullrich war bis 2015 Professor für Kunstwissenschaft und Medientheorie an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe. Seither arbeitet er als freier Autor, Dozent und Berater.

Der Arbeit hafte das Odium des Verächtlichen an

Thorstein Veblen stellt in seinem Buch fest, dass es in allen Gesellschaftsformen einzelne Klassen oder Gruppen existieren, die sich nicht über Arbeit definieren, mit ihrer unproduktiven, demonstrativ ineffizienten Lebensweise aber gerade keine randständigen Außenseiter sind, sondern im Gegenteil als besonders vornehm und überlegen gelten. In dieser Wertschätzung des Müßigen drückt sich aus, dass der Arbeit „das Odium des Verächtlichen anhaftet“; bereits in frühen Phasen der Kulturalisierung des Menschen wird sie sogar „mit Schwäche und Unterwerfung unter einen Herrn und Meister in Zusammenhang gebracht“.

Arbeit ist Notdurft; sie muss so Thorstein Veblens Variante einer nietzscheanischen Herrenmoral – von denen geleistet werden, die nicht stark genug sind, andere dazu zwingen zu können, für sie den Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Arbeiten muss, wer zu schwach oder zu feige ist, sich einfach zu nehmen, was er braucht – oder sogar viel mehr zu nehmen, als er eigentlich nötig hätte. Wolfgang Ullrich erklärt: „Nicht zu arbeiten, bedeutet somit ein doppeltes Privileg: Man kann ein Leben im Müßiggang – auf Kosten anderer – führen und besitzt dabei auch noch einen hohen sozialen Status.“

Die feinen Leute nutzen Erworbenes nicht wirklich

Wer auf sich hält, nimmt deshalb auch jede Gelegenheit wahr, um zu demonstrieren, sich Müßiggang und Ineffizienz leisten zu können, sichert oder erhöht das noch die eigene Nobilität. Das gilt gemäß Thorstein Veblen genauso in archaischen wie in feudalen Gesellschaften, aber auch in den USA seiner Zeit, deren soziale Verhältnisse er besonders im Blick hat. Demonstriert wird das müßige Leben aber nicht nur dadurch, dass man andere für sich arbeiten lässt, also nicht selbst produktiv ist, sondern auch durch diverse Formen von Konsum – dadurch, dass man verzehrt, verbraucht, verschwendet, was andere produziert haben.

Selbst im Verbrauchen verhält man sich möglichst sorglos und ineffizient: Die „feinen Leute“ nutzen Erworbenes nicht wirklich und achten auch nicht auf Praktikabilität, sondern genießen es sogar, wenn eine Erwerbung weitere Erwerbungen nach sich zieht. Erst recht schätzen sie einen hohen Preis für etwas, das nicht nützlicher als eine preiswertere Variante ist, als willkommene Verschwendung, ebenso den Erwerb von Produkten, für deren Herstellung übermäßig viel Material oder Arbeitszeit aufgewendet wurde. Quelle: „Konsum als Arbeit“ von Wolfgang Ullrich in „Mut zur Faulheit“

Von Hans Klumbies