Aristoteles definierte den Menschen als soziales Wesen

Diese Erkenntnis ist nicht neu – ein Mensch, der in gute soziale Beziehungen eingebunden ist, der Freunde und Familie hat, lebt länger, glücklicher und gesünder. Ina Schmidt ergänzt: „Auch das wusste bereits Aristoteles, der den Menschen als geselliges beziehungsweise soziales Wesen definierte, und diese Erkenntnis gilt bis heute in noch jungen Forschungsdisziplinen wie der positiven Psychologie, die sich mit den Fragen der menschlichen Lebenszufriedenheit oder dem Glücksempfinden in der modernen Welt auseinandersetzt.“ Der 2012 verstorbene Psychologieprofessor Christopher Peterson, der an der Universität von Michigan forschte, war davon überzeugt, dass sich der Schlüssel zu einem guten Leben in drei Wörtern zusammenfassen lässt: „Andere Menschen zählen.“ Ina Schmidt gründete 2005 die „denkraeume“, eine Initiative, in der sie in Vorträgen, Workshops und Seminaren philosophische Themen und Begriffe für die heutige Lebenswelt verständlich macht.

Das Gehirn ist ein „wahres Beziehungsorgan“

Auch die soziale Neurowissenschaft bestätigt in den letzten Jahren immer wieder die menschliche Eigenart, auf ein Leben in Beziehung ausgerichtet zu sein. In diesen Untersuchungen wird das Bild eines Menschen sichtbar, der nicht nur um seiner selbst willen gern und gut in sozialen Gemeinschaften aufgehoben ist, sondern dessen elementare Fähigkeiten darauf ausgerichtet sind, sich die Welt in Beziehung zu anderen zu erschließen, um ihr so Bedeutung zuschreiben zu können.

Der Neurowissenschaftler Martin Korte von der Technischen Universität Braunschweig ist fest überzeugt, dass jedes menschliche Leben darauf ausgelegt ist, in seinem Gegenüber lesen zu wollen, um einen Bezug herzustellen. Auch die soziale Neurowissenschaftlerin und Direktorin am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften Tania Singer beschreibt das menschliche Gehirn als ein „wahres Beziehungsorgan“, das die Kooperation sucht und einen Menschen dazu befähigt, sich in sein Gegenüber hineinzuversetzen.

Empathie lässt sich üben und trainieren

Diese Begabung lässt sich nach Singer üben und trainieren, aber prinzipiell ist es in jedem Menschen angelegt, mit seinem Gegenüber in einen verstehenden Austausch gehen zu wollen. In von Tania Singer durchgeführten Forschungen zeigte sich, dass beispielsweise beim Empfinden von Schmerz dieselben Hirnregionen aktiv werden, egal ob man selbst Schmerz erfährt oder man einen Menschen dabei beobachtet, wie er Schmerzen erleidet. Diese Aktivität ist unterschiedlich aktiv, je nachdem, wer dieser Mensch ist.

Das Gehirn reagiert unterschiedlich, wenn man einer geliebten Person oder einem Fremden dabei zusehen muss, wie ihm Schmerzen zugefügt werden, und noch einmal anders, wenn man glaubt, dass die Person aus welchen Gründen auch immer eine Strafe verdient hat. Zentral aber ist die Tatsache, dass das eigene Gehirn das Empfinden von Schmerzen signalisiert, ohne dass man selbst körperlich betroffen ist. Eine wichtige Entdeckung, um diese Verbindung zu erklären, stellen die sogenannten Spiegelneuronen dar, auch wenn ihre Wirkungsweise bis heute nicht vollständig entschlüsselt ist. Quelle: „Das Ziel ist im Weg“ von Ina Schmidt

Von Hans Klumbies