Dass es dem neuen Regime unter Adolf Hitler in weniger als einem Jahr gelungen war, einen vollständigen Systemwechsel vorzunehmen, der alle Elemente einer Revolution in sich trug, und dass diese Politik im offenbar überwiegenden Teil der Bevölkerung als außerordentlich erfolgreich angesehen wurde – dies war ein Vorgang von so enormer Wucht und emotionaler Intensität, dass er bereits von den Zeitgenossen in- und außerhalb Deutschlands als Epochenbruch empfunden wurde. Ulrich Herbert erklärt: „Der zentrale Begriff, unter dem die neue Regierung Hitler am 1. Februar 1933 ihr Programm gestellt hatte, war derjenige der Volksgemeinschaft.“ Die oberste Aufgabe der Regierung sei es, über Stände und Klassen hinweg die geistige und willensmäßige Einheit des deutschen Volkes wieder herzustellen. Ulrich Herbert zählt zu den renommiertesten Zeithistorikern der Gegenwart. Er lehrt als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.
Die Politik Adolf Hitlers wurde von einer Massenbewegung getragen
Als politische Hauptaufgaben nannte Adolf Hitler die Überwindung der Massenarbeitslosigkeit und der Agrarkrise. Außerdem wollte er das Verhältnis von Reich, Ländern und Kommunen reformieren, die Sozialpolitik fortsetzen und die außenpolitische Gleichberechtigung Deutschlands wiederherstellen. Die Voraussetzung dafür sei jedoch die Überwindung der kommunistischen Zersetzung und damit des Klassenwahnsinns und Klassenkampfes. Dieses Programm, eingehüllt in die pathetische, zugleich religiös überhöhte Sprache der Zeit, stand durchaus in den Traditionen früherer Regierungsprogramme.
Ulrich Herbert erläutert: „Der ausschlaggebende Unterschied zu den vorherigen Regierungen bestand vielmehr darin, dass die Politik Hitlers von einer ebenso radikalen wie tatendurstigen Massenbewegung getragen und forciert wurde, die in der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler nicht den Beginn einer weiteren Präsidialregierung sah, sondern die Machtergreifung der nationalsozialistischen Partei unter ihrem Führer.“ Die aus dieser Beziehung zwischen Führer und Gefolgschaft hatten bereits in den Jahren zuvor den evidenten Unterschied der NS-Bewegung gegenüber anderen rechtsradikalen Gruppen ausgemacht.
Der Straßenterror der NS-Milizen prägt die Reichstagswahl
Die am 1. Februar 1933 formulierten Zielsetzungen trafen, wie sich bald zeigte, die Grundüberzeugung eines über die Anhänger der radikalen Rechten offenbar weit hinausreichenden Teils der Bevölkerung. Beides, die Überzeugung des Scheiterns der Weimarer Republik wie die Forderung nach einer zupackenden Führung, waren günstige Voraussetzungen für die politische Umwälzung, die die Nationalsozialisten jetzt in Gang setzten. Es gelang dem neuen Regime innerhalb von nur 18 Monaten ein Ordnungssystem zu errichten, das in der Substanz die politischen und ideologischen Zielsetzungen der radikalen Rechten erfüllte, wie sie sie etwa seit 1917 angestrebt hatte.
Ulrich Herbert erklärt: „Bereits nach wenigen Monaten hatte es die Grundsätze von Liberalismus, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nahezu vollständig abgestreift.“ Die Umwälzungen betrafen Innen- und Außenpolitik ebenso wie die Wirtschaft, die Gesellschaft und die Kultur. Und dass sich alles gleichzeitig und in rasendem Tempo vollzog, machte einen erheblichen Teil ihrer Wirkung aus. Der Wahlkampf zu den Reichstagswahlen am 5. März 1933 war vom Straßenterror der NS-Milizen geprägt, der sich in erster Linie gegen die Arbeiterparteien richtete. Quelle: „Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert“ von Ulrich Herbert
Von Hans Klumbies